Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen – ernst gemeint? | BÜTIS WOCHE #232

US-Präsident Biden hat den G7-Gipfel genutzt, um sich mit einer großen Ankündigung an die Weltöffentlichkeit zu wenden. In einem am 26. Juni 2022 veröffentlichten Memorandum über eine „Partnership for Global Infrastructure and Investment“ (PGII) verkündete er „by the authority vested in me as President“, dass die USA ab sofort eine große internationale Initiative anführen wollen, um den von ihm auf über 40 Billionen US-Dollar geschätzten internationalen Investitionsbedarf für Infrastruktur zu adressieren. In den Medien wurde dazu eine Zahl von 200 Milliarden US-Dollar aus den USA und noch einmal 400 Milliarden US-Dollar von anderen Partnern versprochen.

Biden signalisiert in seinem Dokument, die Vereinigten Staaten würden in enger Partnerschaft mit den G7 und anderen gleichgesinnten Ländern zusammenarbeiten für eine „nachhaltige, saubere, resiliente, inklusive und transparente“ Infrastrukturentwicklung nach hohen Standards. In der Öffentlichkeit traf Bidens Ankündigung auf große Resonanz. Die Zahl von 200 Milliarden US-Dollar findet sich in dem Memorandum allerdings nicht, vielmehr heißt es dort im letzten Absatz: Die Initiative werde durchgeführt „subject to the availability of appropriations“ – sofern Geld da ist. Und da liegt der Pferdefuß der ganzen Sache – um neues Geld ausgeben zu können, müsste Biden neues Geld vom Kongress bewilligt bekommen, die Chance dafür ist gegenwärtig außerordentlich gering. Vor den Midterm Elections werden die Republikaner Biden keinerlei Erfolg gönnen, und nach den Midterm Elections werden sie voraussichtlich die erforderliche Mehrheit haben, um im Kongress ihre eigenen Vorstellungen zu verfolgen.

Aus EU-Perspektive fällt besonders auf, dass Präsident Biden in dem Dokument davon spricht, er wolle die G7 und andere gleichgesinnte Partner dazu bringen, ihre internationale Infrastrukturentwicklungspolitik anzupassen, und er wolle die jeweiligen Herangehensweisen koordinieren. So als wolle Biden seine Partner zum Jagen tragen. Davon, dass die EU mit der Global Gateway-Strategie ihre eigene Herangehensweise schon entwickelt hat und auch 300 Milliarden Euro dafür in Aussicht gestellt hat, findet sich in Bidens Dokument kein Hinweis. Ist das wirklich Leadership at its best: einen ungedeckten Check versprechen und gleichzeitig einen Führungsanspruch erheben, wo die Partner schon weiter sind?

Immerhin könnte man sagen, Biden und die ganze G7 haben – endlich! – die geostrategische Bedeutung internationaler Infrastrukturinvestitionen erkannt. Immerhin ist es ja erst 9 Jahre her, dass die Volksrepublik China mit ihrer Belt and Road Initiative genau dieses Thema ins Zentrum ihrer Außenpolitik gegenüber den Ländern des globalen Südens gestellt hat! Doch wie ernsthaft sind die Ankündigungen? Auch Präsident Trump hatte entsprechende Pläne, damals hieß es Blue Dot Network (BDN); es war abgesehen davon, dass verrückterweise die ökologische Dimension völlig rausgehalten wurde, kein schlechtes Projekt. Es versickerte aber gegen Ende der Amtszeit in der Bürokratie des Außenministeriums. Dann hatte Biden beim letztjährigen G7-Gipfel seine Build Back Better World-Initiative (B3W) präsentiert. Aus der war nach der Ankündigung überhaupt nichts geworden. Wie oft kann man eine gute Absicht folgenlos verkaufen, bevor man sich ganz lächerlich gemacht hat?

Die EU ist, wie ich schon gesagt habe, den USA ein Stück weit voraus. Die Global Gateway-Initiative wurde von Präsidentin von der Leyen im letzten September angekündigt, die entsprechende Strategie im Dezember publiziert. Dazu habe ich mich früher schon geäußert. Doch allzu viel können wir uns darauf nicht einbilden, denn die Initiative stockt. Ein Teil der Kommission, insbesondere die Generaldirektion Internationale Partnerschaften (INTPA), versucht, aus Global Gateway einfach ein neues Label für traditionelle Entwicklungspolitik zu machen. Entsprechend wurden die European Development Days vor Kurzem schlicht und einfach mit dem Etikett Global Gateway behängt, um diesen Begriff mit Beschlag zu belegen. Das nach der Strategie eigentlich für den Herbst zu erwartende Global Gateway-Forum wurde dem Vernehmen nach abgesagt. Über die entscheidenden Governance-Fragen der Strategie konnte sich die Kommission bisher weder intern noch mit dem Rat einigen. Die versprochene Einbeziehung der Businesscommunity lässt auf sich warten. Die Auswahl von ersten Leuchtturmprojekten für die Strategie befindet sich mindestens teilweise noch in einer sehr rudimentären Phase. Damit die ganze Strategie bis zum Jahrestag ihrer Verkündung reale Gestalt gewinnt, muss noch sehr viel passieren.

Vor dem völkerrechtswidrigen und kriegsverbrecherischen Angriff Russlands gegen die Ukraine hatte Präsidentin von der Leyen erklärt, Global Gateway sei die entscheidende geopolitische Initiative ihrer Amtszeit als Kommissionspräsidentin. Inzwischen ist selbstverständlich der Ukrainekrieg zur geopolitischen Kardinal- und Überlebensfrage für uns Europäer geworden. Und er beansprucht große Aufmerksamkeit und Energie. Doch erleben wir, wenn wir auf das internationale Echo dieses europäischen Krieges schauen, ja auch, wie begrenzt in anderen Weltgegenden unsere europäische Perspektive geteilt wird. Ein Europa, das Partner finden will zur Verteidigung internationalen Rechts und einer multilateralen Weltordnung gegen die imperialen Ambitionen Russlands und Chinas, kann es sich nicht leisten, die Anliegen und Prioritäten der hypothetischen Partner hintanzustellen. Ernsthafte Initiativen für internationale Infrastrukturpolitik können beweisen, dass Europa solche Partnerschaft auch unter Schwierigkeiten tatsächlich verfolgt. Es wäre ein großer Fehler, würden wir jetzt die Kraft und Aufmerksamkeit nicht zusammenbringen, um aus dem richtigen Ansatz von Global Gateway tatsächlich etwas zu machen. Endlos Zeit haben wir nicht, bevor die Hoffnung auf Global Gateway sich verflüchtigt oder die ganzen entsprechenden Ankündigungen sich nur als alter Wein in neuen Schläuchen erweisen.

Was Präsident Biden und seinen hehren Wunsch angeht, in diesem ganzen Bereich eine amerikanische Führungsrolle zu demonstrieren, das sollten wir freundlich mit dem Angebot beantworten, gerne zusammen zu arbeiten, wenn die USA soweit sind. Aber darauf warten sollten wir nicht. Sondern noch in diesem Jahr ernsthaft loslegen.

SONST NOCH

Am 28.6. sprach ich bei einem Dinner im Rahmen des Brussels Forum des German Marshall Fund of the United States (GMF) zum Thema Ukraine.

Am 01.7. bin ich in Thüringen zu einem Unternehmensbesuch und als Redner beim Bundesverband Metallhandwerk.

Nächste Woche ist Plenarwoche in Straßburg, hier findet sich die regelmäßig aktualisierte Tagesordnung.

Am Freitag (1.7.) erlebt Hongkong den 25. Jahrestag seiner Übergabe an China. Am selben Tag wird der neue Verwaltungschef John Lee sein Amt antreten, während sich die Einführung des Staatssicherheitsgesetzes zum zweiten Mal jährt. Mehr denn je brauche Hongkong die Solidarität der EU – meine Pressemitteilung.

Mit verschiedenen Aktionen in Brüssel diese Woche wollen wir das Bewusstsein für die Lage in Hongkong schärfen und die Erinnerung an die Freiheiten und die demokratische Kultur des Landes wachhalten.
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