IRA-Debatte beim EU-Gipfel | PRESSE


Zur Debatte um den “Inflation Reduction Act” auf dem EU-Gipfel in Brüssel meint Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grüne/EFA-Fraktion im Europaparlament:

“Im Vorfeld der Ratstagung hatte sich bereits abgezeichnet, dass Deutschland und Frankreich mit einem gemeinsamen Strategievorschlag zur EU-Antwort auf Präsident Bidens Inflation Reduction Act auf wenig Gegenliebe bei zahlreichen anderen Mitgliedsstaaten stoßen würden. Natürlich kann Europa nur eine gemeinsame Antwort auf das amerikanische Vorgehen finden, wenn diese Widersprüche innerhalb der EU überwunden werden. Paris und Berlin stellen sich dabei leider nicht besonders geschickt an. Warum konnten die Minister Habeck und Le Maire nicht ein oder zwei KollegInnen aus EU-Partnerländern auf ihre Washington-Reise mitnehmen? Warum wird vom deutsch-französischen Duo vor allem die weitere Liberalisierung von Beihilferegeln betont, obwohl das einseitig zum eigenen Nutzen wäre und die sich schon seit Jahren verschärfende Schieflage im Binnenmarkt noch verschlimmern würde?

Die in Berlin so oft berufene Zeitenwende wird anscheinend in ihrer weit reichenden Bedeutung dort noch nicht voll verstanden. Zeitenwende heißt nicht nur, dass Scholz und Macron gegenüber Putin nicht einfach so agieren können, wie es ihrem jeweiligen Naturell am besten passt, sondern Zeitenwende bedeutet auch eine Verschiebung der Gewichte zwischen den Hauptstädten. Ohne stärkere Beteiligung von Polen, Tschechien und den baltischen Ländern, aber auch von Finnland und Schweden an der Gestaltung des Kurses der EU bleibt diese stecken.

2023 wird deshalb keine Wiederkehr der ehemaligen deutsch-französischen Führungsachse erleben. Es braucht heute mehr, um die EU zusammenzuhalten und nach vorne zu bringen. Deutschland und Frankreich haben wegen der jeweiligen Zögerlichkeit bei der Unterstützung der Ukraine bei zahlreichen Partnern schon erheblich an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Eigentlich sollte klar sein, dass es kein Erfolgskonzept sein wird, dasselbe nun in industriepolitischer Hinsicht zu wiederholen.”