Proteste in China | PRESSE

Zu den COVID-Protesten in zahlreichen großen Städten in der Volksrepublik China erklärt Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation des Europäischen Parlaments:

“Die COVID-bezogenen Proteste der letzten Tage in China stellen ein politisch außerordentlich bedeutsames Ereignis dar. Proteste hat es in China in den letzten Jahren immer wieder und nicht selten gegeben. Aber sie waren durchweg lokal begrenzt und sie betrafen jeweils nur die Anliegen einer bestimmten Gruppe von BürgerInnen, etwa Lohnforderungen von WanderarbeiterInnen oder Entschädigungsforderungen von Bankkunden oder Bauern. Die aktuelle Protestbewegung dagegen vereinigt Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen und sie findet landesweit statt. Sie beinhaltet sogar Solidarität mit den Opfern eines Feuers in Xinjiang, nachdem das schreckliche Schicksal der Uigurinnen und Uiguren über die letzten sechs Jahre in Han-China ohne relevante Reaktion geblieben war. Die brutale, unterdrückerische Zero-COVID-Politik Xi Jinpings betrifft alle und vereinigt deswegen alle. Mit der Konzentration der ganzen Macht in seinen Händen hat Xi Jinping zudem dafür gesorgt, dass auch die Kritik direkt bei ihm landet. Die unerhörten Slogans “Xi Jinping, tritt zurück!” und “Wir wollen keinen Kaiser” bringen das zum Ausdruck.

Wenn Charles Michel am 1. Dezember Peking besucht, muss er unbedingt die Proteste zum Thema machen. Er sollte China erneut Hilfe durch europäische COVID-Impfstoffe anbieten. Er sollte Xi Jinping unmissverständlich bedeuten, dass die EU bereit ist, jede Unterdrückungspolitik gegenüber den Protesten in internationalen Gremien auf die Tagesordnung zu setzen und gegebenenfalls zusätzliche Sanktionen zu verhängen.  

Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Herrschaft Xi Jinpings durch die Proteste insgesamt gefährdet würde. Aber das Verhältnis zwischen Unterdrückern und Unterdrückten in China hat sich in zwei Tagen dramatisch geändert. Die Parole “Wir wollen nicht mehr ‘das Volk’ sein (dem die KP Chinas verkündet, was es zu tun und denken habe), wir wollen wir selbst sein!” steht für diese Veränderung.”