#151 Strategisch durchwursteln | BÜTIS WOCHE

Dies ist meine 24. Bütis Woche im laufenden Jahr. Und die letzte. Deshalb wünsche ich auch allen, einschließlich derer, die nicht mehr viel weiterlesen wollen, schöne Feiertage und genug Ruhe über den Jahreswechsel, um danach mit erneuerter Energie wieder für das Schöne, Wahre, Gute und Ökologische zu kämpfen.

Denjenigen, die für ein bisschen Erbauung in der beginnenden politischen Pause etwas übrig haben, möchte ich gerne meinen Vorschlag dafür präsentieren, wie wir Grüne 2020 an die Erfolge des ausgehenden Jahres anknüpfen können: Ich glaube, wir müssen uns strategisch durchwursteln.

Den Luxus mit klar hierarchisierten Prioritäten, mit eindeutig identifizierten Partnern und Gegnern, mit vertrauten oder wenigstens berechenbaren Instrumenten und mit festen Zielen eine Agenda zu bauen, den gönnt uns die Gegenwart höchstens ausnahmsweise. Die Themen, denen man „objektiv“ Priorität zumessen möchte, werden ständig durch Ereignisse übertrumpft, bei denen wir uns gerne hinterher wundern, warum wir sie nicht kommen sahen und ihnen nicht deshalb schon längst Vorrang eingeräumt haben. Die Partner in dem einen politischen Zusammenhang sind in dem anderen Gegner. Und wenn die Woche lang ist, trifft man Partnergegner mehrfach in sehr verschiedenen Rollen. Der Instrumente und Parolen, über die wir unsere Kämpfe organisieren wollen, werden wir manchmal zu unserer Überraschung enteignet oder sie verkehren sich unter der Hand in Hindernisse. Bestimmter Ziele können wir uns immer wieder desto weniger sicher sein, je fester wir sie ins Auge fassen, während manch eben noch Verschwommenes, Vages auf einmal zu überraschender Deutlichkeit geliert. Wer nicht sehr gut jonglieren kann, ist völlig aufgeschmissen. Und dabei wollen wir beim Jonglieren auch noch eine wiedererkennbare Grüne Richtung einschlagen.

Wie soll denn das gehen, strategisch durchwursteln? Wie kann man die extreme Flexibilität, die da versprochen wird, mit der unverbrüchlichen Orientierungstreue vereinbaren, die diese Formel ebenfalls zusagt? Es gibt dafür natürlich keine streng logische, sondern nur eine dialektische Antwort. Man muss die strategische Orientierung unerbittlich verfechten, als ob man das Wort Flexibilität noch nie gehört hätte. Und man muss auf maximaler Flexibilität bestehen, als ob strategische Verbindlichkeit des Teufels wäre. Alles changiert immer wieder zwischen sich selbst und seinem Gegenteil. Es braucht eine Art Quanten-Politik.

Klar ist allerdings eins: dass uns Grünen diese Herausforderung auf den Leib geschneidert ist. Wem denn sonst?

Ich habe einen Vorschlag für einen gemeinsamen Vorsatz zum neuen Jahr: Wir denken in der ruhigen Zeit alle gründlich über das erfolgreiche Durchwursteln nach. Und wenn der Alltag und die Hektik dann wieder anfangen, dann setzen wir das um.

Ganz Grüne und ganz herzliche Grüße,
Reinhard Bütikofer

 

Sonst noch
  • Multilaterale Flinte nicht ins Korn werfen – Meine Pressemitteilung zum vorläufigen Aus des WTO-Berufungsgremiums.
  • Am 13.12. habe ich das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau besucht und einen Vortrag an der Universität Erfurt zum Thema „EU-China relations: cooperation, competition and rivalry“ gehalten.
  • Die nächste Woche ist eine Straßburg-Woche, viele Themen stehen auf der Agenda: Verleihung des Sacharow-Preises, Lage der Uiguren in China, Schlussfolgerungen des Europäischen Rates anlässlich der Tagung vom 12. und 13.12. und mehr.
  • Am 20.12. nehme ich an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Sacharow-Preisverleihung 2019 an Ilham Tohti im Europäischen Haus in Berlin teil.
  • Vom 24. bis 26.12. ist Weihnachten.