Zur diesjährigen Rede von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Lage der Europäischen Union meint Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP):
„Getäuscht hatte sich, wer gehofft oder befürchtet hatte, Juncker würde versuchen, die EU quasi neu zu erfinden. Juncker präsentierte durchaus einige neue Überschriften wie zum Beispiel den „Europäisch-Afrikanischen Pakt für nachhaltige Investitionen“, und er schlug neue Maßnahmen vor, um bestehenden europäischen Politiken zusätzliche Kraft zu geben. Vor allem aber unterstrich er die Notwendigkeit, nicht nur Pläne zu entwerfen, sondern sie auch für die Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. Dieser Akzent war richtig.
Vor allem die Uneinigkeit unter den EU-Mitgliedsländern hemmt die EU – das machte auch Juncker mit deutlich hörbarem Frust klar. Sein Bekenntnis zu Europa als der „Liebe meines Lebens“ war glaubwürdig, und seine Abgrenzung zwischen „aufgeklärtem Patriotismus“ und „giftigem Nationalismus“ war glasklar. Trotzdem gelang es Juncker nicht, aufzuzeigen, woher die Kraft kommen kann, sein Konzept eines „Europa, das die Bürger schützt“ zu verwirklichen. Der Fehler liegt im Grundsätzlichen: Europa kann seine Bürgerinnen und Bürger nur schützen, wenn es sie stärkt. Nur die Europäer selbst können das Europa bauen, das Juncker möchte. Wer im nächsten Mai nicht die Europagegner, die Autoritären und die Populisten siegen sehen will, muss es verstehen, Europas Bürgerinnen und Bürger zur Einmischung zu begeistern. Ideen hat Juncker noch, aber die dafür nötige Kraft fehlte.“