Den August 1968 verbrachte ich mit Freunden in einem französischen Jugendcamp. Vom Einmarsch der WP-Truppen habe ich durch die Lektüre der L‘humanite erfahren. Das Zentralorgan des PCF hatte Probleme mit der Kursbestimmung. Zunächst offen kritisch, schwenkte es kurz darauf um und rechtfertigte den Gewaltakt.
Und wir? Was wussten wir damals als 16-jährige? Über die Verbrechen der Stalinära In der CSSR, über die ökonomischen Probleme der vorgeblich realsozialistischen Ökonomien, von den Debatten über Entfremdung in diesem System – im Grunde nichts!
Was wir aber gesehen hatten, war eine Gesellschaft im Aufbruch, waren Initiativen für neue Gesellschaftsentwürfe, waren Enthusiasmus, demokratischer Aufbruch, Streben nach Befreiung und bewusster Gestaltung gesellschaftlicher Veränderung im Zeichen eines freiheitlichen Sozialismus.
Und dann: ein Volk, das mit Gewalt daran gehindert wird, die eigenen Probleme selbst lösen zu können.
Mein Vater stammte aus der CSSR. Viele meiner Verwandten dort waren Mitglieder der KPC, einer im KZ zum Krüppel gemacht und von der Roten Armee befreit worden. Sie alle haben die Partei nach dem August 68 verlassen.
Ihr Beispiel, ihre Hoffnungen, ihr Streben nach Glück und einem besseren Leben bleiben ebenso wie die Impulse des Prager Frühlings für einen demokratischen Sozialismus Quelle der Inspiration.
Frank Bsirske, geboren 1952, ist Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di und Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.