Zur Situation in Polen und der heutigen Debatte mit Ministerpräsident Morawiecki im Europaparlament meint Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP):
„Während die polnische Regierung unter Bruch der eigenen Verfassung den letzten Rest juristischer Unabhängigkeit im Lande beseitigt, sprach Polens Ministerpräsident Morawiecki heute in Straßburg über die Zukunft der EU. Proteste aus der polnischen Zivilgesellschaft begleiteten seinen Besuch. Morawiecki sagte vor dem Parlament, die Polen hätten ein „Freiheitsgen“. Das stimmt wohl, aber es kommt gegenwärtig in den Protesten gegen seine Regierung zum Ausdruck.
Die Debatte mit Morawiecki enttäuschte auf beiden Seiten. Es war kein Zeichen von Souveränität, dass Kommissionspräsident Juncker und der Erste Vizepräsident Timmermans – der für das Artikel-7-Verfahren zuständig ist – gar nicht erst erschienen waren. Ihnen wäre kein Zacken aus der Krone gebrochen, hätte einer von ihnen die Debatte gesucht. Morawiecki seinerseits versäumte die Gelegenheit, auf die EU-Institutionen zuzugehen. Stattdessen provozierte er sogar, indem er den europäischen Populismus als Zeichen „demokratischer Aufklärung“ hochleben ließ.
Morawiecki tat viel, um die Legitimität der europäischen Institutionen anzuzweifeln, mit denen Polen sich nun einmal verständigen muss, wenn wir eine gemeinsame Perspektive wiedergewinnen wollen. Zu viele Diskussionsbeiträge aus dem Europäischen Parlament folgten dem schlichten Argumentationsmuster: „Ich liebe Polen, aber Rechtsstaat muss nun einmal sein.“ Nur wenige, unter ihnen Vizepräsident Dombrovskis und für die Grüne Fraktion Ska Keller, nahmen sich die Zeit, darauf hinzuweisen, wie und an welchen Punkten Europas Institutionen Solidarität gegenüber Polen üben. Fazit der Debatte: Der Dialog ist schwer gestört. Ohne neue Initiativen zur Verständigung kann sich der Gegensatz nur verschärfen.“