Mogherini-Anhörung: Ob sie darf wie sie will?

Einmal wurde Federica Mogherini in ihrer dreistündigen Anhörung vor dem Europäischen Parlament sichtbar rot. Die Tatsache, dass der Ausschussvorsitzende Elmar Brok einem sozialistischen Abgeordneten, der seine Redezeit überzog, brüsk das Wort abschnitt, kommentierte sie mit der scharfzüngigen Bemerkung: “Aha, deutsche Flexibilität.” Kurz dachte sie wohl, sie habe einen schwer verzeihlichen Fauxpas begangen aber ein relevanter Teil der Abgeordneten lachte voller Sympathie, und Elmar Brok, der Humor hat, grinste sich eins. Gut gegangen.

Auch sonst ging es gut. Frau Mogherini zeigte keine offenkundigen thematischen und politischen Schwächen. Sie demonstrierte Entschlossenheit, Zuversicht, und Selbstbewusstsein. Sie trug nicht dick auf, aber sie signalisierte durchaus eigene Akzente, etwa indem sie ihre Rolle als Chefin der europäischen Rüstungsagentur betonte und damit mehrfach die Notwendigkeit einer stärkeren Betonung europäischer Sicherheitspolitik ansprach. Deutlich anders als ihre Amtsvorgängerin beurteilt sie offenbar auch das Verhältnis zwischen ihren beiden Hüten als Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission und Hoher Repräsentantin für Außenpolitik; nach Absprache mit Kommissionspräsident Juncker wird sie ihr Büro symbolträchtig im Kommissionsgebäude einrichten, um damit die beabsichtigte stärkere Integration aller außenpolitischen Elemente der EU-Politik zu versinnbildlichen. Inhaltlich versprach Mogherini mehr europäische Initiative in der Nahost-Politik, als wir in den letzten fünf Jahren gesehen hatten. Sie hatte die Arktis ebenso im Auge wie die Notwendigkeit der Kooperation mit lateinamerikanischen oder asiatischen Regionalzusammenschlüssen. Gegenüber Russland bediente sie sich einer Sprache, die sowohl die Mittel- als auch die Osteuropäer beruhigen sollte und eine Balance zwischen Diplomatie und notwendiger Konfliktbereitschaft versprach. Als sie erwähnte sie wolle dazu insbesondere auch mit ihrem “sehr guten Freund” dem neuen NATO-Generalsekretär Stoltenberg, zusammenarbeiten, nahm der Ausschuss dies interessiert zur Kenntnis.

Obwohl Federica Mogherini Kompetenz und Engagement ausstrahlte, lässt sich noch kaum erraten, was für eine Hohe Repräsentantin/Vize-Präsidentin sie tatsächlich sein wird. Denn das hängt entscheidend von den Mitgliedsländern ab, die sich bereitfinden müssen in der Außenpolitik stärker als bisher koordiniert zu handeln und dabei ab und zu wenigstens Frau Mogherini den Taktstock zu überlassen. Werden sie dazu bereit sein? Möchte Federica Mogherini wirklich Durchsetzungskraft entwickeln, dann muss sie nicht nur mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten – ohne dessen Hilfe entwickelt sie sicher nicht genug eigenes politisches Gewicht. Sie muss darüber hinaus auch mit den nationalen Parlamenten, den nationalen außenpolitischen Communities, und den zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Mitgliedsländern zusammenarbeiten, um diese für eine stärkere Kooperation zu gewinnen. Das sie ankündigte, in ihren ersten Amtsmonaten alle 28 Hauptstädte zu besuchen und dort genau solche breitangelegten Gespräche zu führen, war wahrscheinlich das positivste Signal für eine mögliche erfolgreiche Amtszeit von Frau Mogherini.