Seltene Erden und die Neuentdeckung der Rohstoffpolitik

Rohstoffpolitik im Rampenlicht

Rohstoffpolitik steht heute im Rampenlicht. Rohstoffpolitik ignorieren, das geht nicht. Galt sie bis vor kurzem bestenfalls als altbacken, bei vielen gar als etatistische Verirrung – nun ist sie so wichtig wie nie. Die Nachfrage nach Rohstoffen steigt weltweit, der Zugang zu kritischen Rohstoffen wird schwerer, Preise fahren Achterbahn. Und die Märkte regeln eben nicht alles.

Während sich um Rohstoffe neue Konfliktlinien ergeben, ohne dass die alten sich überlebt haben – Ausbeutung von Bergarbeitern in zahlreichen Ländern, Ausbeutung ressourcenreicher armer Länder, Ausbeutung der Natur und teilweise unglaubliche ökologische Belastung – ist doch ebenso klar: auch eine ökologische Wirtschaftspolitik bleibt auf Rohstoffzugang angewiesen, weil sie auf Industrie angewiesen ist. Ohne Rohstoffe keine erneuerbaren Energien, keine Energiewende und gewiss keine technologisch innovative green economy mit niedrigem CO2-Ausstoss.

Um sich den umweltpolitischen und sozialen, den wirtschafts- und entwicklungspolitischen, den sicherheits- und außenpolitischen sowie den technologisch-innovativen Herausforderungen in der Rohstoffversorgung zu stellen, braucht es eine neue Strategie. Reines Hoffen auf Freihandel reicht nicht mehr. Jegliche neokoloniale Versuchung muss man bekämpfen. Für uns Grüne ist Rohstoffpolitik in erster Linie eine dem Grundimpuls des Green New Deal folgende Innovationsstrategie, die mit Ressourceneffizienz und Recycling nicht nur die Versorgungssicherheit erhöht, sondern unsere Wettbewerbsfähigkeit auf die Basis der Nachhaltigkeit gründet. Sie muss sich der Frage stellen, wie wir wirtschaftlichen Erfolg und gesellschaftliche Stabilität von ständig wachsenden Stoffdurchsätzen abkoppeln können. Global ist sie eine Strategie, die auf Kooperation und Dialog setzt, anstatt auf nationale Alleingänge, die drohen in eskalierenden Verteilungskämpfen zu enden.

Kurz nachdem ich mein Mandat im Europäischen Parlament 2009 aufnahm, habe ich angefangen, mich intensiv diesen Themen zu widmen. Mit dieser Broschüre möchte ich Einblicke geben in meine Arbeit im Europaparlament zur Rohstoffpolitik. Vielen habe ich für Anregungen, Ideen und Unterstützung zu danken, vor allem Roderick Kefferpütz, der auch an dieser Broschüre großen Anteil hat.

Ich würde mich freuen, wenn die Broschüre weitere Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit eröffnen würde. Für Kritik bin ich aber auch empfänglich.

Mit Grünen Grüßen,

reinhardbuetikofer-signature-transparent-bg - web

 

 


 

Inhaltsverzeichnis

 

  • Warum spricht man auf einmal von „Seltenen Erden“?
  • Innovation statt Business-as-usual
  • Abfall als Ressource nutzen: Recycling
  • Mit Ressourceneffizienz schwarze Zahlen schreiben
  • Rohstoff-Governance
  • Einheimischen Rohstoffabbau umweltfreundlich, sozial und effizient gestalten
  • Mehr Licht im Dunkeln: Rohstoffmärkte und Transparenz
  • Die Globale Dimension – Kooperation
  • Ausblick
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Warum spricht man auf einmal von „Seltenen Erden“?

Die sogenannten Seltenen Erden, die eigentlich gar nicht selten sind in der Erdkruste, haben bis vor etwa zwei bis drei Jahren nur in Fachkreisen für Aufregung sorgen können. Doch seither sind sie zum politischen Fokus und zum Vexierbild geworden. Sie sind in Alltagsgespräche vorgedrungen. Sie geben dem Rohstoffproblem einen Namen. Denn Berichte über ihre Verknappung haben die Öffentlichkeit alarmiert, gelten diese 17 Elemente doch als unverzichtbar für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen, innovativen grünen Wirtschaft.

Viele der heutigen kohlenstoffarmen Technologien sind von der Verwendung von Seltenen Erden abhängig. Terbium etwa senkt den Bedarf an Elektrizität von Beleuchtungskörpern um 80%, während Dysprosium das Gewicht von Magneten in Elektromotoren reduziert.

China produziert derzeit mehr als 95% der Seltenen Erden und verfügt damit gegenwärtig über ein de facto Monopol. Seit 1999 wird jedoch durch das chinesische Handelsministerium eine Quote für den Export von Seltenen Erden festgelegt. Seit 2006 wird diese kontinuierlich gesenkt. 2010 wurde die Exportquote um drastische 40% gesenkt. Um in der Wertschöpfungskette selbst weiter nach oben zu klettern, wollen die chinesischen Wirtschaftslenker den Löwenanteil an den in ihrem Land geforderten Seltenen Erden der heimischen Verwertung vorbehalten. Der damit einhergehend sinkende Export sowie der Druck auf japanische, USamerikanische oder europäische Firmen zur Verlagerung nach China hat verständlicherweise in den industrialisierten Staaten eine erhebliche Nervosität ausgelöst.

Als ich mich entschloss, mich dem Thema zu widmen und nach der Teilnahme an internen Fachgesprächen der Europäischen Kommission zu kritischen Rohstoffen die Seltenen Erden näher in den Blick zu nehmen, war einer der ersten Schritte, eine Studie zu Seltenen Erden beim Öko-Institut in Auftrag zu geben. Die Studie sollte vor allem die Recyclingaspekte der Seltenen Erden untersuchen. Die Ende Januar 2011 publiziert Studie fand großes Interesse. Ein Vorschlag der Studie ging inzwischen direkt in die politische Arbeit ein: Die Studie schlug die Etablierung eines europäischen Kompetenznetzwerkes für Seltene Erden vor, welches Universitäten, Forschungsinstitute, Unternehmen und weitere Experten in Europa zusammenbringen soll, um Forschungsergebnisse auszutauschen und eine Forschungsagenda für den Bereich voranzutreiben. Meinem Vorschlag ein solches Kompetenznetzwerk (European Rare Earth Competency Network – ERECON) in den EU Haushalt 2012 aufzunehmen wurde vom Europäische Parlament und der EU-Kommission zugestimmt. 2013 wird nun das europäische Kompetenznetzwerk zu Seltenen Erden mit einem Haushalt von 1 Millionen Euro etabliert werden.

Neben der Studie und dem werben für das europäische Kompetenznetzwerk nahm ich in 2010 auch Kontakte in Washington auf, um die transatlantische Zusammenarbeit in diesen Bereich zu fördern. In diesen Rahmen konnte ich einen Meinungsaustausch mit Congressman Bart Gordon, dem damaligen Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses des amerikanischen Kongresses, im Europäischen Parlament ermöglichen. Im Sommer 2010 wurde ein Meinungsbeitrag von mir in der International Herald Tribune veröffentlicht, in dem ich für eine transatlantische Kooperation bei Seltenen Erden warb.

Japan war und ist als einer der großen Elektronikproduzenten von der Senkung der chinesischen Exportquoten für Seltene Erden stark betroffen. Dies war vor allem der Fall, als China, im Herbst 2010, die Exporte der Seltenen Erden nach Japan als Antwort auf einem Konflikt um die von beiden Ländern beanspruchte Inselgruppe der Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer blockierte. Japan hat aus der Abhängigkeit heraus eine interessante Rohstoffstrategie entwickelt, bestehend aus Rohstoffeffizienz und Recycling aber auch einer Diversifizierung der Bezugsquellen durch Rohstoffpartnerschaften. Ich wollte in diesem Bereich von Japan lernen.

Die Idee, japanische Vertreter ins Europäische Parlament einzuladen, damit sie bei einer Anhörung ihre Rohstoffstrategie vorstellen könnten, stieß auf großes Interesse bei der Japanischen Vertretung in Brüssel, und so fand im Februar 2011 eine Anhörung im Europäischen Parlament zur japanischen Rohstoffstrategie statt. Referent war Herr Keiichi Kawakami, stellvertretender Generaldirektor des Manufacturing Industries Bureau im japanischen Wirtschaftsministerium, welcher mit einer 6-köpfigen Delegation nach Brüssel kam um auch Gespräche mit der Europäischen Kommission zum Thema Seltene Erden zu führen.

Die Veranstaltung war ein sehr großer Erfolg. Nicht nur war die Diskussion sehr aufschlussreich, sondern es hatten sich aus den Gesprächen auch konkrete Initiativen und Ideen ergeben. Dazu gehörte unter anderem die Idee einer trilateralen Kooperations-Partnerschaft zu kritischen Rohstoffen (vor allem Seltene Erden) zwischen der EU, den Vereinigten Staaten und Japan. Diese Initiative wurde aufgegriffen und im Oktober 2011 fand die erste trilaterale Konferenz in Washington, D.C. statt, bei der sich Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter und Politiker der verschiedenen Länder zu den unterschiedlichen Rohstoffstrategien austauschten.

2012 organisierte die japanische Regierung dann das zweite trilaterale Treffen, an dem etwa Steven Chu, der amerikanische Energie-Minister, und Keiru Kitagami, der japanische Vize Minister des Wirtschaftsministeriums, sowie zahlreiche WissenschaftlerInnen teilnahmen um sich zum Thema Seltene Erden auf mehrere Ebenen (Recycling, Effizienz, Substitution, Abbau) auszutauschen. Die Europäische Kommission möchte nun 2013 zur dritten trilateralen Runde, diesmal in Brüssel, einladen.

In der Zwischenzeit, hatte sich die Troika aus EU, Japan und USA, auch handelspolitisch ausgetauscht. Sie entschloss sich Anfang 2012 eine Beschwerde gegen China bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu den Seltenen Erden, Wolfram und Molybdän einzureichen. Diese Beschwerde wurde nur einige Monate vor dem Erfolg der EU und USA zu einer anderen Beschwerde gegen China zu 9 wichtigen Rohstoffen eingereicht.

Ich betrachte das aktuelle Verfahren mit skeptischer Kritik. Ich fürchte, es führt im optimalen Fall zu einem Pyrrhus-Sieg. Meines Erachtens wird Europa in den kommenden 10 bis 15 Jahre zu einem erheblichen Maß auf Kooperation mit China bei Seltenen Erden angewiesen sein. Dabei hat Europa im Gegenzug technologisch einiges zu bieten. Natürlich braucht Kooperation zwei Partner. Ein Kooperationsangebot an China zur Technologiezusammenarbeit im Bereich der Seltenen Erden würde nur wiederholen, was es bei den Energierohstoffen schon gibt. Unter dem Dach des EU-China Energiedialogs kooperieren beide Akteure als Partner bei erneuerbaren Energien, Energieeffizienz sowie der Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung.

2010 wurde in diesem Rahmen auch das „EU-China Clean Energy Centre“ gegründet. Die EU und China nehmen ebenenfalls gemeinsam am Internationalen Energieforum teil, einer internationalen Organisation, welche das Vertrauen zwischen Konsumenten und Produzenten stärken soll.

Warum sollten die EU und China nicht auch bei anderen Rohstoffen, wie Metallen, diese Art von Kooperation angehen, um zusammen ihre Rohstoffsicherheit zu stärken? Eine Zusammenarbeit im Bereich der Forschung und Entwicklung, mit dem Schwerpunkt auf umweltfreundlichen Abbau, könnte zum Beispiel für Beijing von Interesse sein, da der Abbau von Seltenen Erden besonders schädlich für die Umwelt ist. Für diese Perspektive habe ich auch in op-eds in der South China Morning Post (SCMP) und in China Daily geworben.


 

 

Innovation statt Business-as-usual

Mit einen sehr hohen Pro-Kopf-Rohstoffverbrauch ist die Europäische Union stark auf Rohstoffimporte angewiesen. Auch der globale Rohstoffverbrauch steigt. Während dieser 2007 bei 60 Milliarden Tonnen pro Jahr lag, wird für 2030 mit einem Verbrauch von rund 100 Milliarden Tonnen gerechnet. Wenn Ressourcen weltweit weiterhin mit demselben Zuwachs verbraucht würden, dann benötigten wir bis 2050, so die Europäische Kommission, insgesamt zwei Erden.

Um Rohstoffe in der Zukunft weiter zu sichern, veröffentlichte die Europäische Kommission im Februar 2011 eine Rohstoffstrategie. Diese Strategie beruht auf 3 Säulen: (1) Handel und Rohstoff- Diplomatie, (2) Einheimischer Rohstoffabbau und an letzter Stelle (3) Ressourceneffizienz und Recycling. Ende 2010 wurde ich vom Europäischen Parlament beauftragt, einen Bericht zur europäischen Rohstoffstrategie zu verfassen. Der Bericht mit dem Titel „Eine erfolgreiche Rohstoffstrategie für Europa“ wurde im September 2011 vom Europäischen Parlament mit einer großen Mehrheit verabschiedet. Der Bericht stellt die Drei-Säulen-Strategie der Europäischen Kommission vom Kopf auf die Füße, denn an erster Stelle soll eine Innovationsstrategie verfolgt werden, welche durch einen effizienteren und besseren Umgang mit Ressourcen nicht nur den Importbedarf reduziert, sondern gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit stärkt und die Umwelt schont. Diese Innovationsstrategie beruht auf Recycling, Ressourceneffizienz, Wiederverwendung (Re-Use), Substitution sowie Forschung und Entwicklung.

 


 

 

Abfall als Ressource nutzen: Recycling

Recycling ist besonders interessant, da darin attraktive Wachstumspotenziale liegen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ist der Produktionswert der Entsorgungswirtschaft von 1995 bis 2009 um fast 70 Prozent gestiegen. Das Recycling von Rohstoffen ist auch weitaus klimafreundlicher als der Abbau des Primärproduktes. Mit dem Recycling von einer Tonne Aluminium können 95% an Energie und neun Tonnen CO2 Emissionen gegenüber einer Tonne Primäraluminium eingespart werden. Zum andern macht Recycling die Europäische Union unabhängiger von teurer werdenden Import-Ressourcen. Allein im Jahr 2007 konnten durch die Verwendung von Sekundärrohstoffen 5 Milliarden Euro für vermiedene Rohstoffimporte eingespart werden. Die EU-Kommission kommt zudem zum Ergebnis, dass allein durch die vollständige Umsetzung der gültigen europäischen Abfallvorschriften pro Jahr etwa 72 Milliarden Euro eingespart und bis 2020 bis zu 400.000 neue Jobs generieren werden können.

Leider sind noch längst nicht alle gültigen Abfallvorschriften von allen EU-Mitgliedsländern umgesetzt. 2,7 Milliarden Tonnen an Abfall fallen zum Beispiel jährlich in der Europäischen Union an, wovon im Durchschnitt lediglich etwa 40% wiederverwertet oder recycelt werden. Dabei gibt es europäische Länder, in denen die Recyclingquote bei über 80% liegt.

Die Politik muss deshalb einen industriepolitischen Marktrahmen schaffen, der dieses Potenzial mobilisiert. Im Bericht des Europäischen Parlamentes habe ich mich deshalb in mehreren Bereichen für Recycling eingesetzt. Mein Bericht schlägt zum Beispiel vor, dass Standards durch die Europäische Öko-Design Richtlinie gesetzt werden sollen, welche dafür sorgen, dass Produkte einfacher recycelt werden können.

Mein Bericht schlägt auch vor, in Forschung und Entwicklung zu investieren, um die notwendigen Technologien zu entwickeln, die das Recycling von Hochtechnologiemetallen ermöglichen. Für manche Rohstoffe gibt es schon die Technologie zum recyceln aber es lohnt sich wirtschaftlich noch nicht. Ein Beispiel ist der Rohstoff Lithium, welcher für Elektroautos benötigt wird. Ich war 2012 bei der Eröffnung der neuen Recycling-Anlage von Umicore in Hoboken, welche als effizienteste Anlage der Welt für Lithium-Recycling gilt. Man könnte diesen Recyclingmarkt weiter entwickeln, in dem man beispielsweise die Nachfrage nach recycelten Werkstoffen durch wirtschaftliche Anreize ankurbelt. Das öffentliche Beschaffungswesen wäre hier ein interessantes Instrument.

Desweiteren ist es wichtig, beim Recycling industrielle Synergieeffekte zwischen Unternehmen zu schaffen. So sollte Unternehmen geholfen werden, herauszufinden, wie ihre Abfälle und Nebenprodukte als Ressourcen für andere Unternehmen dienen können. Das „National Industrial Symbiosis Programme“ Großbritanniens ist in diesem Bereich sehr erfolgreich. Laut eine Studie der EU würde diese Förderung industrieller Symbiosen bis zu 1,4 Milliarden Euro im Jahr an Einsparungen bringen sowie zusätzlich 1,6 Milliarden Euro an Umsatz.

Letztlich gehen uns auch viele wertvolle Rohstoffe durch den illegalen Export von Elektroschrott verloren. Relevante Mengen werden illegal als Waren aus zweiter Hand in Entwicklungsländer exportiert. Dort werden sie entweder in ineffizienten Hinterhofanlagen verarbeitet oder landen einfach auf Deponien. Dies schadet der Umwelt, der Gesundheit der Menschen und verschleudert zusätzlich wertvolle Rohstoffe. Die Gesetzgebung zum Export von Abfällen muss deshalb dringend verbessert werden. Auch in diesen Rahmen macht mein Bericht einen Vorschlag: Ein globales Zertifizierungssystem für Recylinganlagen soll etabliert werden, um dafür zu sorgen, dass Elektroschrott in den effizientesten Anlagen verarbeitet wird. Darüber hinaus wird vorgeschlagen Exportkontrollen, und die Arbeit der nationalen Grenzbeamten zu stärken.

Vor dem Hintergrund des steigenden illegalen Exports von Elektroschrott nach Afrika habe ich ein Pilot Projekt für den Europäischen Haushalt 2013 vorgeschlagen, welches einen Beitrag zu einer Recyclingpartnerschaft zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union leisten soll. Dieses Pilotprojekt, das Afrikanische und Europäische Regierungsbeamte, Unternehmen und Wissenschaftler 2013 zu mehreren Workshops zum Thema Recycling zusammenbringen wird, wurde Ende 2012 vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet. In einem Artikel für den Transatlantic Business Dialogue (TABD) habe ich mich auch für eine stärkere Betonung des Recycling im Rahmen der EU-US Beziehung eingesetzt.


 

Abfall als Ressource nutzen: Recycling Mit Ressourceneffizienz schwarze Zahlen schreiben

Ressourceneffizienz ist zentraler Bestandteil einer rohstoffpolitischen Innovationsstrategie für Europa. Denn wie das Recycling auch verbindet Ressourceneffizienz Ökologie und Ökonomie. Mit dem effizienteren Einsatz von Rohstoffen sparen wir nicht nur Geld, sondern mindern auch den Abbau von Rohstoffen und die damit verbundenen Umweltauswirkungen. Die EU-Kommission schreibt in ihrem Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa zum Beispiel, dass Ressourceneffizienz im produzierenden Gewerbe, in Deutschland, Kosteneinsparungen von 20 bis 30 Prozent generieren könnte. Darüber hinaus würde dies bis zu 1 Millionen Arbeitsstellen in Deutschland schaffen. In diesen Rahmen hat die Europäische Kommission ihren sogenannten „Fahrplan ressourcenschonendes Europa“ zu Recht als ein Leuchtturmprojekt designiert. Für Kommissionspräsident Barroso ist die Effizienzsteigerung sogar eine klare Strategie gegen die gegenwärtige Wirtschaftskrise. Im vorliegenden Fahrplan verpflichtet sich die Europäische Kommission, bis Ende 2013 Indikatoren und verbindliche Ziele für die Ressourceneffizienz vorzuschlagen. Dabei sollen die Indikatoren aus einem Leitindikator für Ressourcenproduktivität und ergänzenden Indikatoren für natürliche Ressourcen wie Wasser, Land, Werkstoffe und Kohlenstoff bestehen. Das Europäische Parlament unterstützt die EUKommission in diesen Zielen. Schließlich wurde die EU-Kommission in meinem Rohstoffbericht aufgefordert, mittel- und langfristige Ziele zur Verbesserung der Ressourceneffizienz zu setzen. In Deutschland hat die Rot-Grüne Bundesregierung bereits 2002 in ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel verankert, Deutschlands Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1994 zu verdoppeln. Mit diesem Ziel sind wir international Vorreiter. Nun ist es Zeit ähnliche Ziele auf Europäischer Ebene zu verankern, denn die Effizienzpotenziale in allen Mitgliedsstaaten sind enorm.

Um die Effizienzpotenziale auszuschöpfen, brauchen wir die richtigen Instrumente. Mein Rohstoffbericht macht hier mehrere Vorschläge. Dazu gehört: Beratungsdienste zur Ressourceneffizienz (vor allem für kleine und mittlere Unternehmen) auszubauen, das öffentliche Beschaffungswesen für ressourceneffiziente Produkte zu mobilisieren, Ressourceneffizienz durch Forschung und Entwicklung zu fördern, sowie die Öko-Design Richtlinie, welche derzeit Standards zum Energieverbrauch setzt, auf Rohstoffe auszudehnen. Über die Ressourceneffizienz hinaus fordert der Rohstoffbericht die EU-Kommission auch auf, eine umfassende Studie über Leasingmodelle in der Wirtschaft als Alternative zum Eigentum an Gütern durchzuführen. Dies ist insofern relevant, als man mit Leasingmodellen den sogenannten „Rebound-Effekt“ in gewisser Weise begrenzen kann. Der Rebound-Effekt bezeichnet den Umstand, dass das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen nicht oder nur teilweise verwirklicht wird, da die Effizienzsteigerung zu einem erhöhtem Verbrauch führt. Auf zahllosen Podien und Konferenzen habe ich für Ressourceneffizienz geworben, bis hin zum Stahltag in Düsseldorf oder dem Tag der Metallurgie in Goslar organisiert von der WirtschaftsVereinigung Metalle (WVM). Wichtige Partner und Lehrer waren viele Wissenschaftler aus Hochschulen und Großforschungseinrichtungen im In- und Ausland. Gelernt habe ich auch beim Austausch mit Unternehmen, Aurubis in Lünen wäre zu nennen, und mit entwicklungspolitischen NGOs aus Belgien und Deutschland, die ich bei meinem Bericht einbezogen habe. Noch nicht so durchschlagend waren verschiedene rohstoffpolitisch orientierte Parlamentariergruppen wie GLOBE EU oder European Raw Materials Group (ERMG), obwohl ich bei letzterer Vize-Präsident bin.

Bei der Ressourceneffizienz sind EU-Kommission und EU-Parlament bisher viel engagierter als die EU-Mitgliedstaaten. Ziele und Indikatoren, aber auch Maßnahmen wie ein Top-Runner Programm für ressourceneffiziente Produkte oder eine mögliche Erweiterung der Öko-Design Richtlinie kommen kaum voran. Wenn Europa aber im gegenwärtigen Rohstoff-Technologiewettlauf nicht ins Hintertreffen geraten möchte, muss sich das ändern. Japan zeigt hier wie es gehen kann: Mit einem Milliarden schweren Förderprogramm soll das Ziel verwirklicht werden, in den kommenden Jahren den Verbrauch von Seltenen Erden um 1/3 zu senken.


 

Rohstoff-Governance

Letztlich ist es klar, dass bei der Ressourceneffizienz und dem Recycling eine Vielzahl von Akteuren eine wichtige Rolle spielen. Und für alle diese Akteure und die unterschiedlichen Politikmaßnahmen und Initiativen sind angemessene Governance-Strukturen gefragt, die die Kräfte effizient bündeln, Initiativen koordinieren, und einen Erfahrungsaustausch ermöglichen. Die Europäische Kommission hat in diesem Zusammenhang schon eine Europäische Ressourceneffizienzplattform gegründet und wird 2013 auch eine Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) zu Rohstoffen etablieren. Ich habe mich stark für solch eine Europäische Innovationspartnerschaft zu Rohstoffen eingesetzt. Leider wurde diese Initiative durch die Bundesregierung in den vergangenen 2 Jahren verzögert, so dass die EIP erst 2013 loslegen kann. Eine solche Innovationspartnerschaft, welche die verschiedenen europäischen Akteure und Kompetenzen in diesen Bereich zusammen bringt, kann Innovation und neue Technologien fördern.

Bei der internationalen Rohstoffbeschaffung haben sich in Deutschland Industrieunternehmen zusammengeschlossen, um eine Deutsche Industrie-Allianz zur Rohstoffsicherung zu etablieren. Die ist sicher begrüßenswert. Aber Deutschland bräuchte mindestens so dringend eine breite „Allianz für Ressourceneffizienz“, getragen von Industrie, Politik, NGO‘s und der Wissenschaft. Dafür werbe ich allerorten.

Grüne Politik für Rohstoffe setzt auf einer Innovationsstrategie. Aber auch beim Rohstoffabbau sowie beim Handel mit Rohstoffen haben wir Vorschläge und grüne Ideen. Deshalb hat sich mein Rohstoffbericht auch mit diesen Aspekten intensiv auseinandergesetzt.


 

Einheimischen Rohstoffabbau umweltfreundlich, sozial und effizient gestalten

Während die Europäische Kommission in 2010 ihre Rohstoffstrategie formulierte, drängten Rohstoff-Lobbyisten darauf, europäisches Naturschutzrecht einzuschränken um den Rohstoffabbau in Europa zu vereinfachen. Dieser Ansatz stieß bei der Europäischen Kommission glücklicherweise auf kein Gehör. Deswegen versuchten es die Lobbyisten bei uns im Europäischen Parlament, während ich meinen Rohstoffbericht verfasste und scheiterten erneut. Im Bericht bezieht sich das Europäische Parlament eindeutig auf NATURA 2000 und unterstützt den Kompromiss zu NATURA 2000 welcher von der Generaldirektion Umwelt und der Generaldirektion Industrie der Europäischen Kommission verhandelt wurde.

Im Rohstoffbericht habe ich mich im Bereich des einheimischen Abbaus vor allem auf die Verbesserung der Effizienz beim Abbau, die Informationspolitik und die Ausbildung konzentriert. Derzeit werden viele Hochtechnologierohstoffe beim europäischen Rohstoffabbau nicht ausreichend verarbeitet. Laut einer Studie des Europäischen Forschungsrates (Joint Research Council) können die neuesten Kupfer-Raffinerien bei der Kupferverarbeitung bis zu 90% des kritischen Rohstoffes Tellurium, welcher bei der Produktion von Solarzellen nötig ist, gewinnen. Allerdings schaffen die gegenwärtigen europäischen Kupfer-Raffinerien nur eine Rückgewinnungsrate bei Tellurium zwischen 30-40%. Dasselbe gilt für den Rohstoff Kobalt. In Europa wird zum Beispiel in der Nickel-Raffinade das Beiprodukt Kobalt nicht ausgeschöpft. Und das, obwohl Experten meinen, Europa könnte mit neuen Raffinademethoden bis zu 30% seines jährlichen Kobaltbedarfs decken. Wir müssen beim europäischen Rohstoffabbau dafür sorgen, dass die bestverfügbaren Technologien eingesetzt werden, damit der Abbau nicht nur ökologischer gestaltet wird, sondern auch beim Abbau keine wichtigen Rohstoffe verloren gehen.

Der Rohstoffbericht empfiehlt den Mitgliedstaaten zusätzlich, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen geologischen Diensten zu fördern. In diesen Rahmen, soll zum Beispiel jedes Jahr ein geologisches Rohstoffjahrbuch publiziert werden, welches die neuesten Daten und Informationen zu Europas Rohstofflage schildert. Der Bericht betont auch den hohen Stellenwert von Qualifikationen und Schulungen im Bereich des Bergbaus und fordert die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, einen engen Dialog mit den Sozialpartnern, der Wissenschaft und der Wirtschaft zu führen, um zu erörtern, welchen Bedarf Europa in der Zukunft an Fachpersonal im Bergbau hat. Zudem werden EU-Kommission und Mitgliedstaaten aufgefordert, spezielle Hochschullehrprogramme und Stipendien zu etablieren. Angesichts des steigenden „Berggeschreis“ in Europa, habe ich übrigens beim Parteitag der Europäischen Grünen Partei in Athen im November 2012 einen Workshop zum europäischen Bergbau organisiert. Als Referenten hatten wir eine Reihe von Grünen Experten aus dem Schwedischen Parlament und dem Finnischen Parlament, von den bulgarischen Grünen (Zelenite), sowie Nikos Chrysogelos, Mitglied aus Griechenland in unserer grünen Fraktion. Bei der Veranstaltung konnten sich europäische Grüne über die verschiedenen Positionen zum Bergbau austauschen. Der Workshop war so erfolgreich, dass wir im Europäischen Parlament eine Konferenz zum Thema in 2013 organisieren wollen.

Darüber hinaus habe ich mich beim Rohstoffabbau auch dem Thema der öffentlichen Finanzierung von Rohstoffprojekten gewidmet. Zum Beispiel habe ich in einem Brief zusammen mit 21 Mitgliedern unserer Fraktion die Europäische Kommission aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass die neue Bergbau-Strategie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) mit den politischen Zielen der EU im Einklang steht. Die EBRD, so unsere Forderung, muss sich bei der Bergbau-Finanzierung nach den  Umwelt- und Sozialstandards der EU richten. Hinsichtlich einiger Projekte der Bank bestehen da erhebliche Kritiken. Die EBRD finanziert bisher beispielsweise Kohlebergbauprojekte, ohne die Klimafolgen bei der Kohleverbrennung zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen ist nicht nur kurzsichtig, sondern widerspricht auch ganz klar den EU-Klimazielen. Darüber hinaus fordern wir von der EBRD erhöhte Transparenz für die Zivilgesellschaft. Zusammen mit meiner österreichischen Kollegin, Ulrike Lunacek, habe ich im September 2012 eine Veranstaltung mit der NGO CEE Bankwatch zu diesem Thema organisiert. Als Referentin hatten wir dabei unter anderen eine NGO Vertreterin aus der Mongolei.


 

Mehr Licht im Dunkeln: Rohstoffmärkte und Transparenz

In ihrer Rohstoffstrategie widmet sich die Europäische Kommission auch den Rohstoffmärkten. Diese haben in den letzten Jahren deutlich an Volatilität zugenommen. Klar: Volatilität ist die Natur der Märkte. Aber die Preisschwankungen sind stärker geworden. Rohstoffpreise sind in den letzten Jahren mehrfach durch die Decke geschossen, nur um kurz danach wieder dramatisch zu fallen. Der Preis-Instabilitäts-Index der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) veranschaulicht dies. Gegenüber den 1990er Jahren hat sich die Volatilität bei entscheidenden Rohstoffen wie Zink und Eisenerz im letzten Jahrzehnt mehr als verdreifacht. Für Kupfer und Nickel gab es etwa eine Verdopplung.

Ein Grund dafür ist, dass neben Rohstoffhändlern nun auch Hedge-Fonds, Index-Fonds und Banken sich auf den Rohstoffmärkten tummeln. Rohstoffmärkte und Finanzmärkte haben sich zunehmend verflochten. Es wird immer mehr virtuell mit Rohstoffen gehandelt. Laut dem Handelsblatt wurden im Mai 2012 an der Chicago Börse zum Beispiel rund 350 Millionen Tonnen Weizen virtuell gehandelt, was mehr als der Hälfte der weltweiten Weizenproduktion dieses Jahres entspricht.

Mit der Reform der europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) will die EU-Kommission die Spekulation mit Rohstoffen eindämmen. Die USA ist Vorreiter in diesem Gebiet. Sie hat schon mit ihrer Dodd-Frank Gesetzgebung Positionsobergrenzen auf den Handel mit Öl, Metallen und Getreide gesetzt. Grundprinzip: Ein Händler soll nur noch eine begrenzte Zahl von Kontrakten eingehen können. So soll die Spekulation unter Kontrolle gehalten werden. Die EU-Kommission schlägt allerdings nur dann zeitweilige Positionsobergrenzen vor, wenn die Mitgliedsstaaten nicht genügend eingreifen, um gravierende Preisschwankungen entgegen zu treten.

Im Industrieausschuss war ich für unsere Fraktion für das Thema zuständig und habe mich stark für Positionsobergrenzen eingesetzt, indem ich in meinen Änderungsanträgen auch eine Definition für „exzessive Spekulation“ vorgeschlagen habe, so wie es bei der amerikanischen Dodd-Frank Gesetzgebung der Fall ist. Leider wurden diese Anträge von den anderen Fraktionen nicht angenommen. Dafür konnten wir zusammen mit der Europäischen Volkspartei trotz Opposition der Sozialdemokraten und Liberalen, eine Definition von bona fide hedging voranbringen, um die Interessen von Industrieunternehmen schützen zu können, welche sich im Markt gegen unkalkulierbare Preisentwicklung absichern müssen. Zu diesem Thema hatte ich auch mit Martin Kneer, Hauptgeschäftsführer der WirtschaftsVereinigung Metalle (WVM), einen Meinungsbeitrag geschrieben. Mein Vorschlag, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (EMSA) eine eigene Abteilung für den Rohstoffhandel schafft, um Marktverzerrungen überwachen zu können, wurde auch angenommen.

Im Bezug auf den Rohstoffmarkt sind wir Zeuge einer immer größeren Marktkonzentration. 1990 waren die zehn größten Rohstoffproduzenten für 20 Prozent der Weltproduktion verantwortlich. Heute liegt deren Anteil bei 35 Prozent. Die aktuelle Fusion der beiden Rohstoffunternehmen Glencore und Xstrata trägt dazu weiter bei. Zusammen würde das fusionierte Unternehmen einen Marktanteil von über 50 Prozent im europäischen Zinkmarkt haben. Ich habe zunächst in Kooperation mit Josef Lang von den Schweizer Grünen und mit Oliver Krischer aus der grünen Bundestagsfraktion das Thema in die Medien gebracht und später Kommissar Almunia kritisiert, dass er die Fusion zu leicht durchgewunken hat. Seine einzige Forderung war, dass Glencore seinen Exklusivvertrag mit dem weltgrößsten Zinkunternehmen, Nyrstar, aufheben muss. Damit würde „Glenstrata“ immer noch um die 35 Prozent des europäischen Zinkmarktes kontrollieren. Damit wird der europäischen Industrie und den Konsumenten kein guter Dienst erwiesen. Ein angemessenes Vorgehen wäre gewesen, in eine sogenannte Phase 2 der vertieften Prüfung zu gehen, um sich ein besseres Bild machen zu können. Ein Vorschlag, der öffentlich seine Runden machte, war, dass Xstrata seine San Juan de Nieva Zink-Raffinerie in Spanien verkauft. Mit diesem Vorschlag wäre Glenstrata‘s Anteil am europäischen Zinkmarkt weit mehr gesunken als es die gegenwärtigen Vereinbarungen vorsehen. In der Rohstoffstrategie von Industriekommissar Tajani wird klar genannt, dass das Kartellrecht im Rohstoffbereich effektiv genutzt werden soll. Sein Kollege Almunia hat dafür jedenfalls kein Beispiel gegeben. Europäische Wettbewerbshüter sollten ihre Augen nicht vor der steigenden Marktkonzentration bei Rohstoffen verschließen.

Bei der Transparenz im Rohstoffgeschäft gibt es ebenso großen Verbesserungsbedarf. Mangel an Transparenz hat die Machtanhäufung illegitimer Potentaten gefördert und dazu beigetragen, dass in vielen Ländern von einem „Rohstofffluch“ gesprochen werden muss. Als Rohstofffluch wird der paradoxe, aber leider reale Umstand beschrieben, dass ressourcenreiche Länder sich schlechter entwickeln als rohstoffarme. Korrupte Regierungen, die sich aus Zahlungen für Rohstoffgewinnung üppig finanzieren konnten, koppelten sich von den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung ab. Was an Rohstoffreichtum eine Chance sein sollte, war daher oft eine Plage für die Menschen. Ausbeutung über alle Grenzen anstatt der versprochene Entwicklung. Transparenz bei Zahlungsströmen hilft dubiose Geldkanäle zur schließen und erleichtert es der Zivilgesellschaft ihre Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Schon lange kämpfen Nichtregierungsorganisationen für die Offenlegung solcher Zahlungen.

Die Vereinigten Staaten sind hierbei schon entschlossen vorangeschritten. Mit der sogenannten Cardin-Lugar-Bestimmung des Dodd- Frank-Act von 2010 werden Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen verpflichtet, ihre projektbezogenen Zahlungen zu veröffentlichen. Lange war unklar, ob es dabei bleibt. Zwei Jahre später – und trotz mächtiger Kritik und Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände – hat die USBörsenaufsicht SEC nun endlich das Regelwerk beschlossen. Ab 2013 müssen Unternehmen alle projektbezogenen Zahlungen über 100.000 Dollar an staatliche Stellen offenlegen. Ich hatte mich in meinem Rohstoffbericht des Europäischen Parlaments dafür eingesetzt, dass Europa dem folgt. Dazu habe ich auch einen gemeinsamen Artikel mit Senator Cardin veröffentlicht.

Seit Ende 2011 folgt Brüssel der Initiative mit seiner Revidierung der alten Transparenz-Richtlinie von 2004. Der Vorschlag der EU-Kommission, unter der Verantwortung von EU-Kommissar Barnier entworfen, ist auf den ersten Blick erfolgversprechend. Neben den Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen soll auch die Forstwirtschaft in die projektbezogene Offenlegung der Abgaben aufgenommen werden. Damit wäre Brüssel Washington voraus. Aber der Schein trügt. In einem wichtigen Punkt war die EUKommission der Lobby bereits entgegen gekommen, nur um die eigenen Transparenzvorlagen zu verwässern. Die EU-Kommission ließ in ihrem Vorschlag nämlich eine Hintertür: Unternehmen sollten ihre Zahlungen nicht offenlegen müssen, wo dies gesetzlich untersagt ist. Eine solche Klausel wird von Nichtregierungsorganisation als „Autokraten-Veto“ bezeichnet. Die Logik ist etwas skurril: autoritäre Regimes müssten nur laut Nein sagen, um von Transparenzregeln ausgenommen zu werden. Wohlgemerkt: In den USA gibt es solche Ausnahmeregelungen für bestimmte Länder nicht!

Die EU-Mitgliedsländer waren von Anfang an gegen den Vorschlag der EU-Kommission. Vor allem die Bundesregierung blockierte lange die projektbezogene Offenlegung der Zahlungen. Eine Anwendung der neuen Transparenzauflagen auf die EU-Mitgliedsstaaten selber lehnt sie auch unter dem Motto ab, dass es in Europa schon genug Transparenz gäbe. Das Europäische Parlament war die einzige EU-Institution welche den Vorschlägen der Kommission folgte. Erfreulicherweise hat der Europäische Rat in den Verhandlungen mit dem EU-Parlament seine Blockade gegen die projektbezogene Offenlegung aufgegeben. Derzeit beharrt der Rat bedauerlicherweise immer noch auf das „Autokraten-Veto“. Die Verhandlungen sollen im Frühjahr 2013 beendet werden. Das Engagement der Entwicklungsorganisationen ONE und Global Witness, mit denen ich mehrfach zusammenarbeitete, hat in diesen Bereich eine kaum zu unterschätzende Rolle gespielt.

Fraglich ist allerdings, warum wir eigentlich bei Rohstoffunternehmen stehen bleiben. Schließlich sind auch Rohstoffhändler, wie zum Beispiel Glencore, in diesem Bereich sehr aktiv. Handelshäuser werden immer größer und haben enorm an Einfluss gewonnen. Zum Beispiel spielen sie eine gewichtige Rolle bei der Vergabe von Krediten und gewinnen damit eine systemische Relevanz im sogenannten „Schattenbankensystem“. Derzeit scheint es, dass die EU-Kommission Handelshäuser bei wichtigen Transparenzvorgaben noch nicht mit einbeziehen will. Deshalb habe ich zusammen mit meinen Kollegen Sven Giegold, Judith Sargentini und Franziska Brantner auch eine parlamentarische Anfrage an die EU-Kommission gestellt, um dieses Vorgehen zu hinterfragen.

Darüber hinaus setzt sich unsere Grüne Fraktion im EU-Parlament auch dafür ein, dem Handel mit Konfliktmineralien Einhalt zu gebieten. In den USA sieht die Dodd-Frank Gesetzgebung vor, dass Unternehmen die an der US-Börse gelistet sind in ihrem jährlichen Bericht offenlegen müssen, ob in ihren Produkten Konfliktmineralien eingesetzt werden. Zu den Konfliktmineralien zählen Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus der Demokratischen Republik Kongo oder deren Nachbarländern. Falls dies zutrifft, muss das Unternehmen zusätzlich einen unabhängig geprüften Bericht erstellen und beschreiben welche Maßnahmen zur Sorgfaltspflicht unternommen werden. In meinem Rohstoffbericht habe ich mich dafür eingesetzt, dass die EU diesem Beispiel folgen soll. Es wird erwartet, dass Handelskommissar De Gucht 2013 einen ersten Vorschlag veröffentlicht. Bei einem Besuch bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) 2012, habe ich auch erfahren, dass die BGR in diesen Bereich sehr aktiv ist. Zum Beispiel hat die BGR ein Projekt in Ruanda in dem sie konfliktfreie Handelsketten zertifiziert. Zusätzlich wurde von der BGR eine Technologie namens „geologischen Fingerabdruck“ entwickelt, durch die festgestellt werden kann in welchem Gebiet der Rohstoff Koltan abgebaut wurde. Mit solchen Methoden und Technologien kann der Handel mit Konfliktmineralien besser bekämpft werden. Auf Einladung von Ulrich Grillo (BDI) konnte ich meine Positionen zur Rohstofftransparenz auch bei einer Sitzung des BDI-Rohstoffauschusses diskutieren.


 

Die Globale Dimension – Kooperation

Immer mehr Länder verabschieden nationale Rohstoffstrategien, um ihre Versorgung zu sichern. Dazu gehören unter anderem Deutschland, Frankreich, die Niederlande, die USA, Japan, Südkorea und Großbritannien. Nationale Alleingänge können allerdings kooperative Anstrengungen untergraben und somit einen Verteilungskampf auslösen, der die Rohstoffversorgung weiter erschwert. Einige Länder, wie Japan und Deutschland, bauen exklusive Rohstoffpartnerschaften mit rohstoffreichen Staaten auf. Oft ähneln solche Partnerschaften einem Neokolonialismus unter einem anderen Namen. Wir Grüne haben die Bundesregierung bei ihren Rohstoffpartnerschaften mit Kasachstan und der Mongolei deutlich kritisiert. Eine Studie, welche ich von dem Wirtschaftsvölkerrechtler Prof. Dr. Markus Krajewski habe erstellen lassen, verdeutlicht, dass die Rohstoffabkommen der Bundesregierung wichtige soziale, entwicklungs-, umwelt- und handelspolitische Aspekte außer Acht lassen. Dazu gehören international anerkannte Umweltverträglichkeitsprüfungen, bilaterale Konsultations- und Streitbeilegungsverfahren beim Handel, eine bessere Bürgerbeteiligung und Transparenzauflagen gegen den „Rohstofffluch“ sowie die Offenlegung von projektbezogenen Zahlungen. Die Studie von Prof. Dr. Krajewski bietet demgegenüber ein „alternatives“ Rohstoffabkommen und darüber hinaus setzt sie auf die Koordinierung der Rohstoffpartnerschaften in der Europäischen Union. Zusammen mit Ute Koczy, MdB, schrieb ich dazu einen Artikel für den Rundbrief der NGO Forum Umwelt und Entwicklung.

Die sogenannten Rohstoffpartnerschaften zielen hauptsächlich auf den Primärabbau von Ressourcen ab. Hier werden wichtige Potenziale der Ressourceneffizienz und des Recyclings kaum wahrgenommen. Ich habe wie schon erwähnt ein Pilotprojekt im EU-Parlament vorgeschlagen, welches eine Recyclingpartnerschaft zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union fördert. Dieses Projekt wurde 2012 vom Europäischen Parlament verabschiedet. 2013 sollen dann eine Reihe von Workshops Afrikanische und Europäische Beamte, Unternehmen, Wissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft zusammen bringen um solch eine Recyclingpartnerschaft auf die Beine zu stellen. Diese Form von Partnerschaft würde kleine und mittlere Unternehmen in Afrika mobilisieren dort anfallenden Elektroschrott zu sammeln und an europäische Recycling-Betriebe zu verkaufen. Dies würde zu einem gegenseitigen Gewinn führen. Zum einen böte dies eine Zugangsquelle zu Rohstoffen für die EU, auf der anderen Seite verbesserte gesundheitliche und umweltfreundliche Bedingungen sowie eines zusätzlichen Verdienst für die teilnehmenden Entwicklungsländer.

Es müssen aber auch internationale Governance- Strukturen für Rohstoffe etabliert werden, damit es Foren gibt, in denen man die gegenwärtigen politischen Herausforderungen diskutieren und bearbeiten kann. Im Energiebereich gibt es bereits zahlreiche solcher Strukturen. Zum Beispiel gibt es die Internationale Energie Agentur (IEA), die Joint Oil Data Initiative (JODI), OPEC, sowie das Internationale Energie Forum (IEF) welches 89 Länder und deren Energieminister einmal im Jahr auf einem Gipfeltreffen zusammen bringt. Bei Rohstoffen wie Metallen fehlen solche Strukturen. Diese sind aber dringend notwendig. Zum Beispiel könnte man eine internationale statistische Initiative – ähnlich wie bei JODI und Öl – für Metalle starten, um geologische und marktwirtschaftliche Daten wie Angebot und Verbrauch transparenter und verfügbarer zu machen. Jedes Land würde davon profitieren. Ich habe dieses Thema auf ganz verschiedenen Foren versucht voranzutreiben, beim World Resource Forum in Davos in einer Diskussion mit Herrn Ernst Ulrich von Weizsäcker, im Auswärtigen Amt, gegenüber Verbänden und der Europäischen Kommission; Botschafter Auer der im Außenministerium in Berlin für Globale Fragen bearbeitete und für diese Agenda viel übrig hat, tut das jetzt in Brüssel im Rahmen des External Action Service. Vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat sich diesem Thema der Global Governance von Rohstoffen ebenfalls schon gewidmet und eine Publikation namens „International Resource Politics: New challenges demanding new governance approaches for a green economy“ herausgegeben. Diese Studie habe ich am 6. November 2012 zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung im Europäischen Parlament vorgestellt.

Es müssen globale Governance-Strukturen aufgebaut werden um einen rohstoffpolitischen Dialog und Kooperation zu fördern.


 

Ausblick

Es ist klar: die Politik muss sich den verschiedenen zentralen Herausforderungen der Rohstoffversorgung widmen. Das ist nicht einfach. Es gibt viel Verbesserungsbedarf – sei es beim Recycling, der Ressourceneffizienz oder bei der Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik. Rohstoffpolitik ist aber auch nur ein Element einer grünen Transformation zu einer nachhaltigen, sozialen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Rohstoffpolitik ist ein wichtiger Bestandteil einer modernen grünen Industriepolitik.

Industriepolitik hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Nicht nur Schwellenländer wie Brasilien und China verfolgen eine Industriepolitik. Die Mehrheit der Entscheidungsträger in der EU ist sich einig, dass Europa auch eine Industriepolitik braucht, die den rechtlichen Rahmen für eine effiziente und für die Herausforderungen der Zukunft gewappnete Industrie setzt. Seit Ende 2012 bin ich Berichterstatter des Europäischen Parlaments zu diesem Thema. Meine Erfahrung in der Rohstoffpolitik wird mir hoffentlich helfen grüne Akzente in diesen Bereich setzen zu können.


 

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