Die FDP will aus der Krise nichts lernen

Rheinische Post: Als Parteivorsitzender waren Sie der Repräsentant des realpolitischen Flügels. Gibt es den überhaupt noch bei den Grünen?

Bütikofer: Wie kommen Sie auf die Frage? Wir Grüne haben in sieben Jahren Bundesregierung gemeinsam gelernt, dass die Durchsetzung unserer Ziele Realpolitik erfordert.

Rheinische Post:: Also sind alle Grünen in verantwortlichen Positionen Realos?

Bütikofer: Natürlich werden auch Nuancen deutlich, aber sehen Sie da einen Fundi? Unser Konzept des Grünen New Deal ist konzentrierte Reformpolitik.

Rheinische Post: Was heißt das?

Bütikofer: Wir müssen gegen die Wirtschaftskrise einen neuen Kurs einschlagen. Wir müssen die Finanzmärkte, die aus dem Ruder gelaufen sind, regulieren, wir müssen eine aktive, ökologische Wirtschaftspolitik machen und wir müssen die soziale Spaltung im Lande bekämpfen.

Rheinische Post: Darin unterscheiden sich die Grünen nicht von anderen Parteien.

Bütikofer:Wo ist das Ökologische bei der Linken, wo das Soziale bei der FDP? Haben CDU/CSU und SPD überhaupt einen Kurs? Die taumeln doch! Unsere Strategie dagegen, der grüne New Deal, bietet eine klare neue, eine realistische Hoffnung. Und wir können mit den nötigen Investitionen in den Klimaschutz, in erneuerbare Energien, in energetisch sparsame Häuser, in Elektroautos in Summe eine Million neue Jobs schaffen.

Rheinische Post: In ihren Koalitionsaussagen sind die Grünen nach links gerückt. Ein Bündnis mit bürgerlichen Parteien wie der Union und der FDP wird ausdrücklich ausgeschlossen, ein Zusammengehen mit der Linken nicht?

Bütikofer: Nennen Sie es, wie Sie wollen: OK, wir lernen dazu. Wir richten uns aber nicht nach den anderen Parteien. Eine Koalition mit der Linkspartei sehe ich im Bund nicht. Es stimmt dagegen nicht, dass die Partei eine Ampelkoalition von vornherein ausschlösse.

Rheinische Post: Warum gibt es dann keine Wahlaussage dafür, wie sie die Parteiführung wollte?

Bütikofer: Wir können nicht in den Wahlkampf ziehen mit dem Motto: es geht nicht ohne die FDP. Wir wollen unseren Kurs stärken und die besiegen, die ein weltanschaulicher Antipode sind. Danach schauen wir nüchtern, was inhaltlich durchzusetzen ist.

Rheinische Post: Sie fischen doch im gleichen Wählerreservoir.

Bütikofer: Nein, wir haben ganz unterschiedliche Ansätze. Die FDP will aus der Krise nichts lernen und vertritt noch immer die Dogmen der Marktradikalität, die uns den Schlamassel eingebrockt haben.

Rheinische Post: Die FDP ist im Augenblick die erfolgreichste Partei in den Umfragen.

Bütikofer: Abgerechnet wird am Wahlabend. Wir werden Nummer drei.

Rheinische Post: Die Grünen diskutieren über deutlich höhere Regelsätze für Hartz-IV-Bezieher, über eine Garantierente und eine einkommensabhängige Kindergrundsicherung. Das kostet viel Geld und konterkariert die Agenda 2010, die sie maßgeblich mitgestaltet haben.

Bütikofer: Bitte halblang. Wir müssen etliches korrigieren, was ein konservativ geprägter Bundesrat uns vor 2005 aufgezwungen und die Koalition seither verbrochen hat. Außerdem: Gerade in der Krise wollen wir die Einkommen derer stärken, die eher konsumieren. Und Menschen, die 33 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, dürfen nicht mit Almosen abgespeist werden.

Rheinische Post: Die Grünen sind nach dem Abgang von Joschka Fischer eine Partei mit vielen Köpfen. Blickt der Wähler da noch durch?

Bütikofer: Wir waren schon immer eine Partei mit vielen guten Köpfen. Das ist grüne Stärke. Die Tore müssen dann die schießen, die auf dem Platz stehen: zur Bundestagswahl heißt der Sturm Renate Künast und Jürgen Trittin.

Rheinische Post: Wo bleibt im Europawahlkampf im bunten Straßburger Parlament ihre Machtperspektive?

Bütikofer: Das Europäische Parlament hat mehr zu sagen, als man weiß. Seine Rolle wächst. In vielem ist Europa drin, wo es nicht drauf steht. Das Parlament kann auch beißen: wir wollen etwa Kommissionspräsident Barroso, den Liebediener der Konservativen und Versager der Europapolitik, nach der Wahl in die Wüste schicken.


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