Präsident Barroso stieg in seine “State-of-the-European-Union”-Rede groß ein. Er sprach nicht nur von “neuem Denken”, sondern sogar von “neuer Orientierung”. Was er aber lieferte, waren im Wesentlichen alte Blindheiten. Deswegen hätte die Rede eigentlich heißen sollen: “Stalemate of the European Union”.
Barroso plusterte sich auf, wie meistens. Er gackerte, als hätte er ein besonders schönes Ei gelegt. Meine Tante Sofie hätte gesagt: Barroso begackerte ein Nest-Ei. (Für Nicht-Agrarier: Ein Nest-Ei ist ein Holz-Ei, das die Bäuerin den Hühnern ins Stroh legt, um sie zum Eierlegen zu ermuntern. Nest-Eier sind meistens ziemlich abgegriffen, unansehnlich. Doch die Hühner lassen sich täuschen.) Von Barrosos Nest-Ei lässt sich, glaube ich, kaum mehr jemand täuschen.
Zugegeben: Die Rede des Kommissionspräsidenten stand unter keinem günstigen Stern. Selbst wenn sie gut gewesen wäre, wäre sie überschattet worden von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, die mitten in die Aussprache hineinplatzte. Da gab es das einzige Mal ehrlich begeisterten Beifall. Ansonsten lahmte der Beifall.
Man ist es von Barroso schon gewohnt: Zu den europäischen Bürgerinnen und Bürgern spricht er nicht. Er spricht über sie hinweg. Beispiel? Die EU muss, so Barroso, stärker zusammenarbeiten, weil sie dann eine große Macht sein könne (POWER!). Wäre es nicht besser zu sagen, diese Kooperation sei nötig, um sich wirksamer den Anforderungen und Erwartungen zu stellen, die die Bürgerinnen und Bürger nun mal an Europe haben? Wer soll sich für die versprochene EU-Power begeistern? Generäle? CEOs? China-Basher? USA-Verächter? Großmacht-Nostalgiker? Wenn er wenigstens darüber redete, wofür Europa im globalen Zusammenhang seine gesteigerte Gestaltungskraft einsetzen solle!
Diesmal hatte Barroso eine ganz besonders apparte “neue” Idee mitgebracht. Er definierte Europa als “Federation of Nation States”. Das ist eine wunderbare Rolle rückwärts. Die Bürgerinnen und Bürger Europas kommen in dieser Definition höchstens noch indirekt vor. Grandios progressiv war im Verhältnis dazu das Bundesverfassungsgericht in seinem Maastricht-Urteil, in dem es die EU mit dem genialen Begriff “Staatenverbund” beschrieb, den es auslegte als den Zusammenklang der Union der BürgeInnen und der Union der Staaten. ALDE-Fraktionschef Verhofstadt geißelte in der Aussprache Barrosos Regression am zornigsten. Er fiel allerdings auf der anderen Seite vom Schwebebalken herunter, weil er, ganz Föderalist, ausschließlich von der Union der Bürgerinnen und Bürger hören wollte. Alte Blindheiten kürzen sich leider gegenseitig nicht weg. Stalemate of the European Union, leider.
In der Frage der wirtschaftlichen Zukunft Europas hatte Barroso eine ganz überraschende und überaus brillante Antwort: Wachstum, Wachstum, Wachstum! Ansonsten versprach er allen “mehr Europa”, ohne erklären zu können, wie er das zu Stande bringen wolle, und ohne auch nur im Ansatz zu verstehen, warum ein ganz generelles “mehr Europa” bei immer weniger Menschen auf Gegenliebe stößt. Mehr von dem, was wirksam nur europäisch gemacht werden kann, das ist eine sinnvolle politische Perspektive, für die Mehrheiten zu gewinnen sind. Mehr Europa regardless, das ist der absurde bürokratisch-technokratische Eigensinn, dem die Pro-Europäer keine Götzenopfer bringen dürfen, wenn sie nicht indirekt dazu beitragen wollen, dass noch mehr Menschen sich zu ihren ursprünglichen Regional-und National-Gottheiten zurückwenden.
Der ECR-Konservative Callanan verhob sich erheblich, als er seine Enttäuschung Über Barroso in die Worte Romneys kleidete, der damit von Tampa aus Obama angriff. Aber er war der einzige, aber es wenigstens sagte: Barroso ist eine Entäuschung.
#Barroso's "State of the Union" adress to #EP. Starts by lecturing all other players in present crisis: you must become more credible. Gosh!
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso: "Europe needs new direction. Europe needs new thinking." And what is it? "More Europe." Parliament already yawning. Nothing new.
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso's European "#narrative": We could be a great #power, if Europe was more united. – Who does he want to convince with that? #Generals?
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso's "#growth narrative": growth, growth, growth. – Greening the economy? Maybe it's in the footnotes. And that he calls new thinking.
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso can't find a single word of criticism or self-criticism about ill-tailored #austerity measures that he calls reforms. Old blindness.
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Here Barroso is right: There is often a #disconnect between European political #parties and national political parties. #fb
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso: "We need federation of nation states." Verhofstadt: "What? Federation of citizens." Both are falling short. BVerfG: Staatenverbund!
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso: Continues speaking of "our European values". Has he thought about this? European values or universal values? Just a sound bite. #fb
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Barroso: "Europe has a soul." I don't think I heard that soul speaking in his adress 2 the European Parliament this morning. Disappointment.
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Verhofstadt: Furious about Barroso's remark about "federation of nation states". Lambasts national political elites, as is his usual habit.
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Dany Cohn-Bendit will in kurzer Zeit EU-Haushalt von 1% BIP auf 5% BIP steigern. Richtung stimmt, aber so schnell geht das nicht.
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
ECR-Callanan: As Romey is disappointed because of #Obama's failures, so are we because of #Barroso's. – Quod licet Iovi, non licet bovi. ;-)
— Reinhard Bütikofer (@bueti) September 12, 2012
Vollständige Rede von Barroso finden Sie hier: http://t.co/MtDJZFo8