Im Industrie-Ausschuss fliegen nicht so oft politisch die Fetzen. Doch am 24. April bot ein Berichtsentwurf zum Thema „Schiefergas“ Anlass dazu. Berichterstatterin Niki Tzavela (GR, EFD) bekam heftige Unterstützung – und heftige Kritik bei der ersten Debatte ihrer Vorlage. Die verschiedenen Positionen liegen sehr weit auseinander. Parallel wird übrigens im Umweltausschuss zum Thema „Schiefergas“ ein weiterer Bericht erarbeitet. Es wird spannend, wie groß am Ende die Schnittmengen sein werden.
Angekündigt hatte Berichterstatterin Tzavela, sie wolle dem Industrie-Ausschuss einen balancierten Bericht präsentieren. Die gesundheitlichen und umweltpolitischen Aspekte bei Schiefergas kommen so gut wie gar nicht im Bericht vor. Im Gegenteil, der Entwurf bezeichnet Schiefergas sogar als eine Brücke zu einer grünen, klimafreundlichen Zukunft. Die Bedenken vieler Menschen in zahlreichen europäischen Ländern wurden de facto als Kommunikationsproblem unter den Teppich gekehrt: man müsse Schiefergas halt besser erklären. Beifall gab es dafür vor allem von zahlreichen polnischen Abgeordneten, aus der Europäischen Volkspartei (EPP) und der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR).
Als Schattenberichterstatter für unsere Fraktion habe ich dagegen gehalten; am nächsten kam unsrer Position Fiona Hall (Liberale aus dem Vereinigten Königreich). Die Sozialdemokraten, angeführt von Ivailo Kalfin (MdEP aus Bulgarien), sangen zweistimmig. Während er einige Mängel des Berichtes bedauerte, begrüßte er diesen doch generell. Und das, obwohl seine eigenen Landsleute vor einigen Monaten ein Moratorium auf Schiefergas verhängten. Er erwähnte auch mit keinem Wort, dass sogar am selben Tag (24.04) bulgarische Aktivisten sowie eine ehemalige bulgarische Abgeordnete des Europäischen Parlaments eine Petition mit 8000 Unterschriften im Petitions-Ausschusses des EPs einreichten, welche gegen Schiefergas plädiert.
Ich kann mir allenfalls sehr schwer vorstellen, dass Schiefergas in Europa eine Erfolgsgeschichte wird. Gar nicht vorstellen kann ich mir, dass der Widerstand gegen Schiefergas überwunden werden kann, wenn die EU sich nicht aktiv für die notwendige Verbesserung des gesundheits- und umweltpolitischen Rechtsrahmens für Schiefergas einsetzt; wenn nicht vorgeschrieben wird, dass die Chemikalien, die bei der Ausbeutung von Schiefergas jeweils pro Bohrloch konkret benutzt werden sollen veröffentlicht und soweit vorhanden durch nicht-toxische Lösungen ersetzt werden; wenn die EU nicht den neuen legislativen Maßnahmen der USA im Bereich des Schiefergases folgt, wozu insbesondere neue “Clean Air Standards for hydraulic fracturing” der Amerikanischen Umweltbehörde (EPA) gehören, nach denen die Unternehmen bis zu 95% der Klima-Emissionen von Schiefergas einfangen müssen.
Die Auseinandersetzung wird heftig werden. Aber sie ist nicht zu vermeiden.