Gemeinsam gegen den Rohstoff-Fluch

Süddeutsche Zeitung, 8.11. 2011

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Gemeinsam gegen den Rohstoff-Fluch

Die USA gehen voran, Europa folgt: Die Energiekonzerne sollen transparent werden – zum Wohle der Entwicklungsländer

Im vergangenen Jahr haben die Vereinigten Staaten einen wichtigen Schritt unternommen, um die Energiesicherheit zu verbessern, finanzpolitische Transparenz voranzubringen, Entwicklungsanstrengungen zu fördern und entscheidende außen- und sicherheitspolitische Ziele zu erreichen, indem sie neue Berichterstattungspflichten für Öl-, Gas- und Bergbauunternehmen verabschiedeten; die endgültige Ausgestaltung der Regeln wird in Kürze veröffentlicht werden.

Das gesetzgeberische Vehikel dieser Reformen ist der Dodd-Frank-Act, der in Reaktion auf die Finanzkrise 2007/2008 das Finanzmarktrecht der Vereinigten Staaten neu reguliert. Im Jahr 2010 wurde die sogenannte Cardin-Lugar-Bestimmung ergänzt, die zu mehr Transparenz in der Energiewirtschaft führen soll. Nun ist auch die Europäische Kommission bereit zu handeln. Ihr jüngster Vorschlag zielt auf die Offenlegung von Zahlungen durch mineralgewinnende Unternehmen.

Damit verfügen wir über den nötigen politischen Impuls, um in Europa ähnliche Regeln wie in den USA zu erlassen, mit denen Unternehmen verpflichtet werden, pro Land und pro Projekt offen zu legen, wie viel sie für das Recht der jeweiligen Öl-, Gas- und Mineraliengewinnung bezahlen. Wichtig ist jedoch, diese Verpflichtung ausnahmslos von allen Unternehmen einzufordern, um gleiche Spielregeln für Wirtschaft, Investoren und Endabnehmer zu schaffen.

Der jetzige Zeitpunkt ist genau richtig und der Nutzen sowohl für die globale Entwicklung als auch für die Energiesicherheit erheblich. Wenn die Vereinigten Staaten und die Europäische Union in enger Abstimmung zusammenarbeiten, werden die Transparenzregeln für die Rohstoffindustrie die demokratische Kontrolle verbessern und auf der ganzen Welt stabilere Investitionsbedingungen schaffen.

Das ist gerade deshalb so entscheidend, weil der Reichtum an Bodenschätzen in vielen Entwicklungsländern oft zu Korruption, Verschwendung, militärischem Abenteurertum und Instabilität geführt hat. Oft schon landeten Öl-Dollars, die den Bürgerinnen und Bürgern eines Landes zugute kommen sollten, in den Taschen der Reichen oder wurden für Prestigeprojekte vergeudet, statt intelligent und produktiv investiert zu werden. Dieser ‘Rohstoff-Fluch’ trifft die Volkswirtschaften der Abnehmerländer ebenso wie die der produzierenden Staaten. So wird die weltweite Armut verschärft, die wiederum ein Nährboden für Terrorismus werden kann. Die Macht von Autokraten und Diktatoren kann gefestigt und die weltweite Ölversorgung somit eingeschränkt werden.

Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen, wie dringend Transparenz im Energie- und Bergbaubereich vonnöten ist. Die sich gerade neu formierende Regierung Libyens muss sich des Vertrauens ihres Volkes vergewissern, wenn sie Erfolg haben will. Einkünfte aus Öl- und Gasgeschäften machten im Jahr 2010 vor dem Krieg in Libyen mehr als 80 Prozent der Regierungseinnahmen aus. In Zukunft werden diese Einkünfte dringend gebraucht, um das Land wieder aufzubauen und um neue, demokratische Institutionen zu schaffen. Aber es existiert bisher zwischen der Regierung und dem libyschen Volk kein System der Transparenz. Glücklicherweise werden zahlreiche Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit in Libyen wieder aufnehmen wollen, verpflichtet sein, solche Zahlungen gemäß der US-Gesetzgebung zu veröffentlichen. Dies verschafft dem Nationalen Übergangsrat die Gelegenheit, ein Klima von Offenheit und demokratischer Kontrolle aufzubauen, welches für die Sicherung von Stabilität von elementarer Bedeutung sein wird.

In Uganda ist die Ölbranche trotz der jüngsten Ölfunde und der enormen Hoffnung auf all die Vorteile darauf für die notleidende Bevölkerung von Heimlichtuerei geprägt. Die ugandischen Parlamentarier beschlossen daher nun ein Moratorium für alle Verträge oder Transaktionen im Ölsektor, bis Transparenzgesetze verabschiedet werden. Die Unternehmen, die derzeit in Uganda tätig sind, werden von der US- und EU-Gesetzgebung reguliert werden, was einen Anreiz für die ugandische Verwaltung schaffen wird, entsprechende Transparenzreformen schneller umzusetzen.

Die beiden Beispiele illustrieren die Wirkung, die wir beobachten werden, sobald die entsprechenden Gesetze in den USA und der EU vollständig umgesetzt worden sind. Wir fordern den Europäischen Rat und das Europäische Parlament sowie die Börsenaufsichtsbehörde SEC dazu auf, die Beratung dieser Vorschriften so schnell wie nur möglich abzuschließen. Das Blatt hat sich gewendet und wir rufen alle Beteiligten zur Zusammenarbeit auf, damit wir neue, weltweite Standards für Transparenz und demokratische Kontrolle erarbeiten können.

Ben Cardin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des US- Senats und stellvertretender Vorsitzender der US-Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Reinhard Bütikofer ist Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments sowie Berichterstatter des Parlaments für die EU-Rohstoffstrategie