#149 Diesmal ein Loblied auf Macron | BÜTIS WOCHE

Als EU-Kommissar Hogan vor Kurzem in Beijing endlich nach langjährigen Verhandlungen ein Handelsabkommen unterzeichnen konnte über die gegenseitige Anerkennung von jeweils 100 Herkunftsbezeichnungen, tat er dies unter den wachsamen Augen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Macron war dort zu einem französischen Staatsbesuch, aber für diesen Auftritt gerierte er sich quasi als Präsident Europas. Die französische Flagge war nicht zu sehen, die chinesische Flagge und die europäische bestimmten das Bild. Dass Xi Jinping sich als oberster Chef alles dessen geriert, was China in seinen Außenbeziehungen tut, liegt in der Natur seiner totalitären Herrschaft. Dass Emmanuel Macron quasi als Chef des EU-Kommissars Hogan auftrat, war demgegenüber verblüffend. Macron hatte schon vorher das Heft des Handelns an sich gerissen, als er noch vor dem Kommissar den Erfolg der Verhandlungen verkündete. Was findet da statt?

Ich habe mich in den letzten zwei Jahren über Macron mehr als einmal kräftig geärgert. Zuletzt empfand ich sein Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien als einen historischen Fehler. Doch dem Beijinger Macron möchte ich gerne applaudieren. Es ist sehr gut, dass er ein Vakuum füllt, das alle anderen lassen!

Macron hat schon bei seinem vorhergehenden Chinabesuch strategisch sehr hellsichtig über die Rolle Chinas gesprochen. Er hat Einschätzungen, Erwartungen und Kritiken explizit gemacht, die Kanzlerin Merkel höchstwahrscheinlich alle teilt, aber leider öffentlich nie explizit artikuliert. Macron hat, als Xi Jinping Paris besuchte, Jean-Claude Juncker, den EU-Kommissionspräsidenten, und Angela Merkel dazu geladen. Das war ein prima Signal des Bemühens um europäische Gemeinsamkeit gegenüber China. Er hat jetzt den Auftritt mit Phil Hogan, von dem ich eingangs sprach, wiederum mit Juncker und Merkel abgestimmt. Er hat zudem eine deutsche Ministerin in seiner Delegation mitgenommen, Frau Karliczek. (Ob die in Berlin gerade als am ehesten abkömmlich erschien oder ob sie sich darum riss, um der peinlichen Diskussion um die Standortfrage für die Batteriefabrik zu entgehen, weiß ich nicht. Sarkasmus off.) Die Bundesregierung hat es noch nie geschafft, bei ihren zahlreichen Chinakontakten jemand aus einer anderen Regierung huckepack zu nehmen, die daraus Gewinn gezogen hätte, obwohl das als Mittel gegen die 16+1-Spalterei Chinas längst angezeigt gewesen wäre. Macron hat es, ich kann es nicht anders sagen, richtig gemacht. Er signalisiert sowohl Gestaltungswillen als auch Willen zur Kooperation in Europa. Niemand, der nicht selbst bereit ist, Führung zu zeigen, sollte ihn nun dafür kritisieren. Umgekehrt wird vielleicht ein Schuh draus. Vielleicht lassen wir uns inspirieren und ab sofort wird jeder Kontakt mit der chinesischen Seite so organisiert, dass mindestens ein Kabinettsmitglied aus einem europäischen Nachbarland dabei ist.

Natürlich wäre es gut, wenn die EU-Kommission selbst und wenn der Hohe Repräsentant, Josep Borrell, mit einer Stimme für Europa sprechen würde. Dafür muss man viel tun, aber realistisch ist es nicht zu erwarten, dass die derzeitige Vielstimmigkeit durch metaphysische Transsubstantiation auf einen Schlag zur europäischen Einstimmigkeit wird. Und wenn, wie man hört, Ursula von der Leyen mit Josep Borrell intern noch darüber streitet, wer eigentlich die Stimme Europas werden soll, und wenn nicht in einem einzigen Brief von Ursula von der Leyen an ihre künftigen Kommissare die strategisch zentrale europäische Konnektivitätspolitik auch nur Erwähnung findet, dann ist vielleicht unsere beste Hoffnung tatsächlich, dass wir außenpolitisch dadurch am ehesten Handlungsspielräume gewinnen, dass einige Akteure größere Verantwortung übernehmen und andere dabei einbinden. Vor dem Hintergrund bin ich sogar bereit, Macron ausnahmsweise seinen „brain-dead“-Kommentar zur NATO zu verzeihen.

Noch besser wäre es natürlich, die deutsche Politik würde selbst dazu finden, europäische Außenbeziehungen konkret weiterzuentwickeln, statt bei allem immer nur auf der Bremse zu stehen. Ich fürchte nur, dafür brauchen wir eine neue Regierung. Oder schafft es die GroKo wenigstens, im Dialog mit Macron den großen Fehler der Verweigerung gegenüber Nordmazedonien und Albanien bis zum nächsten Gipfel zu korrigieren? Wie gerne würde ich dazu ein Loblied auf Deutschlands Außenpolitik im Interesse Europas singen.

 

Sonst noch
  • Am Wochenende habe ich mein Amt als Ko-Vorsitzender der European Greens beim Council im finnischen Tampere abgegeben. Vorher gab ich der Süddeutschen Zeitung ein Interview über die Grünen in Europa.
  • Am 12. November sprach ich bei der Konferenz von Orgalim zum Thema „Reinventing Europe’s Industrial Leadership“.
  • Am 13. und 14. November findet das Miniplenum in Brüssel statt.
  • Am Rande der Bundesdelegiertenkonferenz besuche ich in Bielefeld DMG Mori.
  • Im Rahmen eines deutsch-französisch-polnischen Projektes der Heinrich-Böll-Stiftung besuche ich nächste Woche Warschau.

 

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