Zum Spitzenkandidaten-Prozess vor den Europawahlen meint Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP):
“Den Anfang gemacht hatte Manfred Weber. Jetzt hat der slowakische Sozialdemokrat Maros Sefcovic ebenfalls sein Interesse verkündet, als Spitzenkandidat die Europawahl zu bestreiten und anschließend womöglich EU-Kommissionspräsident zu werden. Und auch wir Grüne haben vier Bewerberinnen und Bewerber um die Spitzenkandidatur, darunter die deutsche Fraktionsvorsitzende im EP, Ska Keller. Damit ist klar, dass diese drei Parteifamilien auch 2019 auf das Spitzenkandidatenmodell setzen, um die Europawahl attraktiver zu machen. Diejenigen Staats- und Regierungschefs, die die Spitzenkandidaten ablehnen, allen voran Frankreichs Präsident Macron, können das nicht ignorieren. Gegen Christdemokraten, Sozialdemokraten und Grüne wird es im nächsten Europaparlament keine Mehrheit für einen neuen Kommissionspräsidenten geben.
Die europäischen Liberalen allerdings spielen bisher nicht mit. Gegen erheblichen Protest in der eigenen Truppe hat sich ihr Fraktionschef Verhofstadt vom Spitzenkandidatenmodell distanziert. Verhofstadt, der in seinen Reden gerne so klingt, als habe er persönlich die europäische Demokratie erfunden, will einen demokratischen Fortschritt Europas zurückdrehen. Der Grund ist reiner Opportunismus. Verhofstadt will Macron gefallen, damit der sich 2019 vielleicht doch der Alde-Fraktion anschließt. Für Volten und überraschende Bocksprünge ist Verhofstadt fast so berühmt wie für seinen euroföderalistischen Rigorismus. Aber hier verrechnet er sich. Die Mehrheit im nächsten Parlament muss sich aus Fraktionen zusammensetzen, die sich verlässlich zum Ausbau der europäischen Demokratie bekennen. Verhofstadt qualifiziert sich mit seiner Haltung nicht als verlässlicher Partner. Die Liberalen sollten noch einmal nachdenken.”