Ein neuer Frühling für Europa!
Alles spricht heute über den gesellschaftlichen Umbruch von #Mai68 – im Westen. Für den „Aufbruch in eine neue Welt“ war der Prager Frühling aber mindestens ebenso wichtig. Es war ein Sprung in die Freiheit, eine friedliche Emanzipationsbewegung mit der Hoffnung auf den dritten Weg (Ota Sik) zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Ein demokratisches Experiment, das von den kommunistischen Panzern aus Moskau und den „Bruderländern“ gestoppt, aber nicht vernichtet wurde: 21 Jahre später wurde der Kopf der „Charta77“, Vaclav Havel, Präsident der Tschechoslowakei. Die Berliner Mauer fiel und die Sowjetunion implodierte. Auf die Dauer lässt sich der Drang nach Freiheit, Mitbestimmung und sozialer Gerechtigkeit auch mit Gewalt nicht unterdrücken.
All das zeigt: Nichts muss bleiben wie es ist. Menschen können gemeinsam die Verhältnisse zum Blühen bringen. Alternativen und Lösungen entwickeln, etwas Neues wagen. Für Osteuropahistoriker Martin Schulz Wessel war der Prager Frühling allerdings mehr als das Laboratorium für ein demokratisches Gesellschaftsmodell. Die von der Zensur befreiten Zeitungen und Rundfunksender wagten erstmal auch einen schonungslosen Blick auf die Vergangenheit. Sie machten die Staatsverbrechen der Zeit zwischen 1948 und 1953 sichtbar, die Verfolgung Andersdenkender, den latenten Antisemitismus und die stalinistischen Schauprozesse.
Es ist die Aufgabe der Grünen, die Politik wie damals in Prag auf zwei Beine zu stellen. Also auf der einen Seite mit Bürgerbewegungen zusammen aus dem Alltag heraus die Zukunft zu gestalten. Auf der anderen Seite aber auch präzis zu ergründen, was die historischen und strukturellen Ursachen von erzwungener Migration, Ausbeutung und Umweltzerstörung sind. Nur so können wir sie verändern.
Regula Rytz, Präsidentin der Grünen Schweiz