Briefing: Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in die EU

Die Europäische Union will Firmenbeteiligungen und -übernahmen durch chinesische und andere ausländische Investoren gründlicher unter die Lupe nehmen. Der Handelsausschuss des Europaparlaments hat am Montagabend einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zugestimmt, der einen europaweiten Austausch- und Prüfmechanismus vorsieht. Die EU-Länder sollen sich gegenseitig frühzeitig über Investitionen informieren und Bedenken anmelden können, wenn sie Sicherheit oder öffentliche Ordnung gefährdet sehen. Das letzte Wort über eine Übernahme hat aber weiterhin das jeweilige EU-Land.

Dazu ist hier eine kurzes Briefing zu finden.



Briefing: Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in die EU

(„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union“ / Reinhard Bütikofer MdEP)

Im Februar 2017 legten die Wirtschaftsminister aus Deutschland, Frankreich und Italien ein gemeinsames Papier zum Umgang mit ausländischen Direktinvestitionen (FDI) vor und forderten die EU-Kommission auf, einen europäischen Vorschlag zu entwerfen. Daraufhin legte die Kommission dem Rat und dem Parlament am 13. September 2017 einen Gesetzgebungsvorschlag für einen europäischen Rahmen zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen vor. Es handelt sich dabei hauptsächlich um einen Koordinierungsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten, der auf einem besseren Informationsaustausch zu FDI in sensiblen Bereichen wie kritische Infrastruktur und Schlüsseltechnologien beruht. Der Mechanismus soll nur greifen, wenn die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung in den Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden oder EU-Projekte und -Programme betroffen sind. Das Instrument würde zu einem stärker koordinierten und strategischen Ansatz der EU in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen beitragen.

Beteiligte Ausschüsse im Europäischen Parlament

Federführend: Handelsausschuss (Committee on International Trade, INTA)

Berichterstatter: Franck Proust (EVP, Frankreich)

SchattenberichterstatterInnen: Yannick Jadot (Grüne/EFA, Frankreich), Emmanuel Maurel (S&D, Frankreich), Joachim Starbatty (EKR, Deutschland), Dita Charanzová (ALDE, Tschechien), Stelios Kouloglou (GUE/NGL, Griechenland), Tiziana Beghin (EFDD, Italien)

Mitberatend: Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (Committee on Industry, Research and Energy, ITRE), Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Committee on Economic and Monetary Affairs, ECON), Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung (Committee on Security and Defence, AFET/SEDE)

BerichterstatterInnen: ITRE: Reinhard Bütikofer (Grüne/EFA, Deutschland), ECON: Roberts Zīle (EKR, Lettland) , AFET/SEDE: Geoffrey Van Orden (EKR, Großbritannien)

Besonderheit: Der ITRE-Ausschuss teilt sich bei bestimmten Artikeln der Verordnung (Artikel 3, 4, 9 und Anhang) die Zuständigkeit mit dem federführenden INTA-Ausschuss gemäß Artikel 54. Der INTA muss also die Position des ITRE bei diesen Artikeln berücksichtigen. Außerdem wird Reinhard Bütikofer als Berichterstatter des ITRE an den Trilogen teilnehmen und dafür sorgen, dass die ITRE-Position in den bestimmten Artikeln weiterhin berücksichtig wird.

Zuständig im Ministerrat:

Minister für Auswärtige Angelegenheiten/Handel (in Deutschland: Bundeswirtschaftsministerium)

Vorsitz im Rat der EU: bulgarische Ratspräsidentschaft (Januar-Juni 2018), österreichische Ratspräsidentschaft (Juni-Dezember 2018) – Prioritäres Thema für beide Präsidentschaften

Entscheidungsmodus im Rat: Qualifizierte Mehrheit (Annahme durch 55% der Mitgliedstaaten, die 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren).

Zuständig in der EU-Kommission:

Generaldirektion Handel (DG TRADE)
Kommissarin Cecilia Malmström (Schweden)

Zeitplan:
  • 13.09.2017 – EU-Kommission legte den Vorschlag vor.
  • September 2017 – Januar 2018: Beratungen in den Ausschüssen des Parlaments und Verteilung des Berichts und der Stellungnahmen.
  • 24.04.2018 – Abstimmung der Position im ITRE-Ausschuss.
  • 28.05.2018 – Abstimmung der Position im INTA-Ausschuss. Achtung: Die Abstimmung im Plenum soll vor dem Trilog übersprungen werden. Das INTA-Votum gilt als Mandat für den Trilog, um Zeit zu sparen und den Druck auf den Rat zu erhöhen, dass dieser zeitnah seine Position vorlegt. Die Abgeordneten verschiedener Fraktion stimmten dieser Vorgehensweise mit einer deutlichen Mehrheit am 28.05.18 in der INTA-Ausschusssitzung zu.
  • 20.06.18 – voraussichtlich Abstimmung im Rat.
  • 10.07.2018 – voraussichtlich erster Trilog zwischen Rat der EU, Europäisches Parlament und Europäische Kommission.
  • Ziel der EU-Institutionen ist es, bis Ende 2018 zu einer Einigung zu kommen. Einen genauen Zeitplan für weitere Triloge liegt noch nicht vor.
Fakten:
  • Die ausländischen Direktinvestitionen aus China in der EU stiegen zuletzt stark an. 2016 betrugen sie rund 35 Milliarden Euro (77% Steigerung gegenüber 2015).
  • Im internationalen Vergleich haben die Investitionen aus China aber immer noch einen relativ geringen Anteil an den Gesamtinvestitionen in die EU aus Drittländern.
  • Chinesische Investoren haben 2017 mit 11,1 Milliarden Euro so viel Geld wie nie in deutsche Firmen gesteckt.
  • Deutschland belegte mit 54 chinesischen Transaktionen den ersten Platz, gefolgt von 44 Übernahmen britischer und 24 italienischer Unternehmen, laut der Beratungsgesellschaft EY. Hauptziel der Chinesen bleiben Industrieunternehmen.
  • Recherche des Instituts der deutschen Wirtschaft zu chinesischen Investitionen in Deutschland: Zwischen Januar 2010 und Juli 2017 haben chinesische Investoren insgesamt 193 deutsche Unternehmen übernommen oder sich an ihnen beteiligt. Hauptsächlich wird dort investiert, wo die Patentanmeldungsintensität hoch ist.
Warum brauchen wir einen Überprüfungsmechanismus für ausländische Investitionen?

Ausländische Direktinvestitionen in kritische Infrastruktur, beziehungsweise die Übernahme bestimmter Firmen mit besonders sensibler Technologie durch ausländische Unternehmen, können Sicherheitsbedenken aufwerfen.

In der EU gibt es in dreizehn Mitgliedsländern Regelungen, nach denen solche Fragen geprüft werden können. Es gibt aber kein koordiniertes europäisches Vorgehen, keine gegenseitige Information der EU-Mitgliedsländer und keine Möglichkeit für die Europäische Kommission, sich dann in solche Vorgänge einzumischen, wenn beim Aufbau der betreffenden Bereiche massiv europäische Steuergelder eingesetzt wurden.

Dem soll nun ein entsprechender Vorschlag der Europäischen Kommission abhelfen. Die Entscheidungskompetenz darüber, ob gegebenenfalls eine Übernahme untersagt werden soll, wird danach bei den einzelnen Mitgliedstaaten verbleiben. Vorgesehen ist aber ein Informationsaustausch und die Möglichkeit für die EU-Kommission, Empfehlungen abzugeben. Wenn Mitgliedstaaten solchen Empfehlungen nicht folgen wollen, sollen sie das in Zukunft begründen müssen.

Geht es hier um Protektionismus?

Nein. Die Regelungen soll darauf beschränkt werden, dort zu greifen, wo Interessen der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung berührt sind. Sie dürfen nicht missbraucht werden, um allgemeine industriepolitische Präferenzen durchzusetzen.

Positionen der Mitgliedstaaten:

Der Rat hat noch keine Position vorgelegt. Voraussichtlich soll es diese Ende Juni geben.

Aus drei verschiedenen Richtungen gibt es auf Ratsebene Oppositionen gegen die Pläne der Europäischen Kommission. Da sind zum einen dogmatische Freihändler, die jede Einschränkung von Investitionsfreiheit ablehnen. Zweitens gibt es diejenigen Länder, in denen – weil sie schon zu einem gewissen Grad von chinesischen Investitionen abhängig sind – das massive Lobbying aus Beijing Früchte trägt. Drittens gibt es diejenigen, die sich sorgen, sie müssten wieder einmal Souveränitätsrechte mit ihren europäischen Nachbarn teilen oder ganz an die EU abtreten.

Derzeit betrachten unter anderem Malta, Zypern, Irland, Estland, Lettland, Slowenien, Großbritannien, Finnland den Vorschlag skeptisch.

Zentrale Forderungen des INTA-Ausschusses: (alle Kompromissanträge wurden bei der Abstimmung am 28.05.18 angenommen)
  • Erweiterung der Liste der kritischen Infrastruktur, auf die das Investmentscreening in Zukunft angewendet werden soll, u.a. durch die Medien; Strukturen im Bereich Weltraum; Verteidigungsinfrastruktur; Versorgungssicherheit kritischer Ressourcen, u.a. seltene Erden; Kontrolle sensibler Daten; Nanotechnologie, Biotechnologie, Elektronik-Chips.
  • Erweiterung der Liste der Projekte und Programme mit Unionsinteresse, u.a. durch das Europäische Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich und den Europäischen Fonds für strategische Investitionen.
  • Stärkung des Kooperationsmechanismus zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten durch eine Koordinierungsgruppe für die Überprüfung von Investitionen, in der sich Vertreter der Kommission mit den Mitgliedstaaten regelmäßig über ausländische Direktinvestitionen austauschen können.
  • Keine Prüfschwelle, ab der kritische ausländische Investitionen überprüft werden können, wie dies derzeit noch in Deutschland der Fall ist. Dort schaut die Regierung nur genauer hin, wenn ein Investor mehr als 25% der Anteile erwirbt.
  • Zu ausländischen Investoren sollen auch Unternehmen zählen, die aus einem Drittstaat kontrolliert werden, was besonders auf Chinas staatskontrollierte Unternehmen abzielen soll.
  • Die EU-Kommission soll ausländische Direktinvestitionen überprüfen, wenn Projekte und Programme, die für die Union von Interesse sind und insbesondere jene, die von der EU finanziert werden, auf Basis der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beeinträchtigt werden. Der Kommissionsvorschlag beschreibt das nur als „kann“ Fall, während der INTA eine stärkere Rolle der Kommission fordert. Gleiches gilt für die Mitgliedstaaten, die ebenfalls prüfen sollen.
  • Wenn mindestens ein Drittel der Mitgliedstaaten befürchten, dass eine ausländische Investition ihre Sicherheit oder öffentliche Ordnung beeinträchtigt, soll die Kommission einen Dialog herstellen zwischen dem Mitgliedsland, in dem investiert wird und den Mitgliedsländern, die ihre Sicherheit und öffentliche Ordnung gefährdet sehen.
  • Das Europäische Parlament soll ebenfalls die Möglichkeit gegeben werden, die Kommission auf eine geplante oder getätigte Investition, die problematisch sein könnte, hinzuweisen.
  • Ökonomische Überlegungen wie etwa Reziprozität (die Marktöffnung der EU sollte durch ein gleiches Maß an Marktöffnung des Drittlandes gespiegelt werden) können zwar eine Rolle spielen, ob FDI überprüft werden muss, aber sie gelten nicht als Kriterium dafür, ob ein Investitionsüberprüfungsverfahrens eingeleitet werden muss
  • Die Mitgliedstaaten und die Kommission können mögliche Verletzung von Menschenrechten und der IAO-Arbeitsstandards im Rahmen der Sicherheit und öffentlichen Ordnung durch die Investoren als Kriterium in Betracht ziehen, um ausländische Investitionen überprüfen zu können.
  • Im europäischen Gesetzesvorschlag sollen keine Branchen für FDI geschlossen werden, wie es derzeit in den USA durch den zuständigen Prüfungsausschuss (Committee on Foreign Investment in the United States, CFIUS) geplant ist.
Dokumente

Vorschlag der EU-Kommission

Stellungnahme des ITRE-Ausschusses

Stellungnahme des ECON-Ausschusses

Stellungnahme des AFET/SEDE-Ausschusses

Briefing Wissenschaftlicher Diensts des Europäischen Parlaments