Das Europäische Parlament hat diese Woche in Straßburg in einer Reihe von Beschlüssen deutlich gemacht, dass es durchaus noch umweltpolitischen Ehrgeiz besitzt.
Anlass waren Entscheidungen zur sogenannten Kreislaufwirtschaft. Einfach gesagt geht es darum, Abfallvermeidung zu betreiben, die Meere nicht so zu vermüllen und das Verbuddeln und Verbrennen von Abfällen, die wiederverwertbar sind, zu beenden. Natürlich geht so etwas nicht auf einen Schlag. Vergleicht man jedoch den Zustand der Abfallwirtschaft in verschiedenen europäischen Ländern, dann ist unverkennbar, wie wenig vielerorts noch die vorhandenen technischen Möglichkeiten genutzt werden, zum Schaden der Umwelt und zum Schaden der Wirtschaft selbst.
2014 hatte die Europäische Kommission kurz vor der Europawahl noch unter der inhaltlichen Verantwortung von Kommissar Potočnik einen weitreichenden Beschluss zur Kreislaufwirtschaft gefasst. Umgesetzt werden konnte der natürlich nicht mehr vor der Wahl. Danach aber ließ sich leider die neue EU-Kommission und insbesondere deren erster Vizepräsident Timmermans von BusinessEurope, der niederländischen Verbrennungs-Mafia und einigen anderen umweltpolitikfeindlichen Lobbys beschwatzen, die Potočnik-Vorschläge selbst auf den Abfallhaufen zu kippen. Protest dagegen kam von vielen Seiten. Von zahlreichen betroffenen Wirtschaftsbranchen, die durchaus verstanden hatten, dass in der Kreislaufwirtschaft für sie eine Chance zu finden ist; von vielen Umweltgruppen; von zahlreichen EU-Mitgliedsländern und nicht zuletzt vom Europäischen Parlament. Timmermans reagierte unter Druck mit dem Versprechen, er wolle keineswegs ökologische Standards senken, sondern sogar noch weitergehende Vorschläge präsentieren als Potočnik. Das Europäische Parlament wollte sich nach dem vorausgegangenen Hin und Her auf diese Zusicherung nicht unbesehen verlassen und verabschiedete im Sommer 2015 einen Beschluss, mit dem der Kommission Standards vorgegeben werden sollten, an denen sie sich ausrichten müssen. Als Timmermans schließlich seine Vorschläge präsentieren ließ, wurde, wie zu erwarten gewesen war, sichtbar, dass er zwar ein großer Meister blühender Rhetorik ist, aber dort, wo es um verbindliche Regeln geht, seine Kreativität vor allem aufs Verwässern und Abschwächen konzentriert hatte. Also nahm sich das Europäische Parlament vor, selber das Versprechen zu halten, das die Kommission gegeben hatte.
Die Zusammenarbeit in Sachen Kreislaufwirtschaft in den Beratungen des Europäischen Parlaments war insgesamt sehr gut, die Christdemokratie eingeschlossen. Alle wesentlichen Ziele, die unsere Grüne Fraktion verfolgt hatte, gingen in den entsprechenden Mehrheitsbeschluss des Umweltausschusses ein. Diese Woche hat nun das Europäische Parlament diesen Kurs bekräftigt.
Wie es weitergeht, das hängt nun an Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedsländern. Dabei geht es um viele auf den ersten Blick rein technische Themen, an denen aber eine ganze Menge politische Gestaltungsdynamik hängt. Gelingt es z.B. durchzusetzen, dass Recyclingquoten nur noch nach einer einzigen gemeinsamen Methode berechnet werden, oder bleibt es bei dem bisherigen Wirrwarr unterschiedlicher Berechnungsansätze, hinter deren Intransparenz sich jegliche Fortschrittsverweigerung gut verstecken kann? Werden die Ausnahmen für solche Länder, die beim Recycling besonders weit hinterherhinken, eng gefasst, oder signalisieren wir de facto jetzt schon durch mangelnde Verbindlichkeit, dass Umsetzungsverweigerung im Zweifel weiter toleriert werden wird? Setzen wir bei der Frage von Lebensmittelabfall und Vermüllung der Meere klare Ziele, oder reicht uns das Bekenntnis zu guten Absichten?
Das Europäische Parlament kann das anstehende Seilziehen um die endgültige Form der Regulierung nur gewinnen, wenn entsprechende Kreise der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft auf die nationalen Regierungen hinreichenden Druck ausüben, damit diese zu Partnern der Innovation und nicht zu deren Verhinderern werden. Da liegt noch viel vor uns. Ermutigend ist auf jeden Fall, dass wir im Europäischen Parlament überhaupt so geschlossen so weit gekommen sind. Ich schreibe das dem Umstand zu, dass die reaktionären Businesslobbys nicht erfolgreich behaupten konnten, für die ganze Wirtschaft zu sprechen. Viel mehr machten sich andere, progressivere Stimmen aus der Wirtschaft bemerkbar, die durch ihr Engagement dazu beitrugen, dass es zu einer Allianz ökologischer und ökonomischer Motivationen kam. Die Chancen für transformative, ökologisch und sozial motivierte Wirtschaftspolitik, das zeigt dieses Beispiel, sind durchaus groß, wo solche ökologisch-ökonomischen Bündnisse geschmiedet werden. Das ist selbstverständlich von Bereich zu Bereich unterschiedlich schwer. Jedoch haben wir nicht die Zeit und nicht das Recht, diese Aufgabe aufzuschieben. Sowohl das Ziel der Erreichung von Nachhaltigkeit als auch das Ziel der Sicherung künftiger Wettbewerbsfähigkeit sollten uns antreiben.
Etwas spitzfindig formuliert: Wer bei der Sicherung von Zukunftsfähigkeit vorankommen will, der muss auf Kreislaufwirtschaft setzen, während diejenigen, die das nicht begreifen, nur im Kreis laufen, aber die Wirtschaft zu Grunde richten.