Für fast alle Beobachter*innen war das Pariser UN-Klimaabkommen vom Dezember 2015 ein Meilenstein. Erstmals gibt es nun ein Abkommen, das für alle Staaten gilt und die Beschränkung der Klimaerwärmung auf maximal 2°C, besser 1,5°C festhält. Tatsache dabei ist: Wie genau diese Ziele zu messen sind, blieb offen. Verbindlich oder gar mit Sanktionsmaßnahmen bestückt, sind sie nicht. Und was wohl die meisten Sorgen macht: Zählt man alle bisher eingereichten nationalen Emissionsreduktionspläne zusammen, ist statt der eigentlich anvisierter 2°C Obergrenze, ein Temperaturanstieg von zwischen 4°C und 6°C zu erwarten.
Trotzdem gibt es Grund zum Optimismus, denn die Richtung stimmt. Jetzt muss noch der erforderliche Schwung dazu kommen, damit wir die Klimaziele erreichen.
Bis zur COP22 in Marrakesch im November wird an Instrumenten gearbeitet, wie Klimaschutzverpflichtungen und Umsetzung gemessen werden kann. Alle 5 Jahre soll nun eine Überprüfung der Fortschritte und eine Erhöhung der Ambitionen stattfinde. Entscheidend wird sein, welche Dynamik sich entwickelt. Gibt es genügend Transparenz, findet ein Erfahrungsaustausch und technische Unterstützung für Staaten statt, die sie benötigen? Entsteht genug Vertrauen über die Ernsthaftigkeit und Unumkehrbarkeit des anvisierten Kurses? Wird Klimaschutz und wirtschaftliche Transformation nicht nur als „Belastung“, sondern vor allem als „Chance“ gesehen?
Vor allem in der Debatte um wirtschaftliche Risiken und Chancen liegt eine enorm progressive Kraft. Die letzten Monate haben gezeigt: In einigen Teilen der Finanz- und Wirtschaftswelt ist ein Umdenken zu erkennen. Dazu beigetragen haben die enormen Verluste des fossilen Energiewirtschaft; steigende Kosten durch Klimaschäden für Versicherer; das Aufzeigen, dass Fossile oft nur durch gigantische Subventionen am Leben gehalten werden; auch viel exzellente Analysearbeit der Klimaschützer*innen und die „Übersetzung“ klimapolitischer Argumente in finanz-und wirtschaftspolitische Sprache.
Eine besondere Rolle spielen Studien über die CO2-Blase. Fossile Energieressourcen, die nicht verbrannt werden können, aber immer noch als überhöhte Werte an den Märkten gehandelt werden stellen ein Risiko für Investoren*innen und das gesamten Finanzsystem dar. Zuletzt hat der Risikoausschuss der EZB vor katastrophalen wirtschaftlichen und finanziellen Kettenreaktionen gewarnt, die davon ausgehen können. Viele Akteure stoßen nun Aktien aus dem klimaschädlichsten aller Sektoren ab: der Kohleindustrie. Bis Februar haben sich Investoren*innen weltweit zum Divestment von 3,4 Billionen USD verpflichtet oder entsprechende Entscheidungen schon umgesetzt: von der größten amerikanischen Pensionskasse CalPERS, vom norwegischen Staatsfond, der Allianzversicherung, der Landeskirche von Hessen und Nassau bis hin zu Städten und Kommunen, in Deutschland allen voran Münster.
Damit Finanzmarkakteure und letztlich auch Verbraucher*innen besser wissen, wo die Klimarisiken liegen, hat kürzlich eine globale Arbeitsgruppe unter der Leitung von Mike Bloomberg ihre Arbeit aufgenommen, um einheitliche Offenlegungsstandards für Unternehmen zu entwickeln und Klimatransparenz auf die Finanzmärkte zu bringen. Stimmen werden laut, die fordern, Klimaaspekte in den Europäischen Bankenstresstest zu integrieren. Ein Diskurs darüber entwickelt sich, ob Fondsmanager*innen durch riskante fossile Investitionen nicht ihre Treuhandpflicht verletzten.
Einiges Geld kommt zusammen, das vom fossilen Energiesektor abgezogen wird und nach neuen Anlagemöglichkeiten sucht. Das passt. Denn weltweit sind enormen Investitionen nötigt, um den Umbau in eine klimafreundliche Wirtschaft zu stemmen. Die Entscheidung, wohin jetzt Gelder fließen, bestimmt, was gebaut und entwickelt wird, bestimmt Energieverbrauch und Emissionen der nächsten Jahrzehnte. Die IEA beziffert die Investitionen, die in Nachhaltigkeit fließen müssen, um die 2°C Grenze nicht zu überschreiten auf insgesamt 16,5 Billionen USD. Die UN gar auf 5-7 Billionen USD (pro Jahr!) und weist darauf hin, dass eine solche Anstrengung nicht von staatlicher Seite allein getragen werden kann. Enorme private Mittel werden dafür nötig sein. Gut, dass das in eine Zeit fällt, in der vielerorts Energie aus Erneuerbaren wirtschaftlicher geworden ist als die aus fossilen Rohstoffen. In den USA gibt es Projekte, bei denen Solarenergie so günstig ist, dass Öl auf einen Preis von unter 10 USD pro Barrel fallen müsste, um konkurrenzfähig zu sein.
Kein Wunder also, dass China im Rahmen der derzeitigen G20 Präsidentschaft das Thema „Green Finance“ zum Schwerpunkt gemacht hat. Klimapolitik ist endgültig auf den Finanzmärkten angekommen – und versucht dort Kriterien für grüne Investitionen aufzustellen und die Anlagevehikel zu schaffen, welche die Summen aufnehmen können, die in diesen Sektor fließen müssen.
Dass nun Zentralbankgouverneure und Finanzminister*innen über Klimapolitik sprechen ist gut. Trotzdem müssen aber natürlich auch anderswo die Reformen weitergehen. Denn der wichtige Kulturwandel ist noch nicht überall angekommen. Auf europäische Ebene müssen wir für eine Verbesserung des Emissionshandels kämpfen und für noch mehr Ambition bei den 2030er EU Klimazielen. Auf nationaler Ebene müssen wir den Kohleausstieg bis 2030 schaffen, die enormen Potentiale bei Gebäudebau und Mobilität vorantreiben. Versicherer, Kommunen, Pensionskassen auf die Risiken fossiler Investitionen hinweisen und zum Divestment bewegen. Und mit der Zivilgesellschaft müssen wir die Forderung nach einem Phase-Out der fossilen Energie weiter auf die Straße und in die Kohlegruben, in die Kolumnen und Online-Kommentarspalten tragen.
Die Ergebnisse von Paris haben uns eine positive Dynamik, Aufmerksamkeit und Akzeptanz für die Notwendigkeit und das Potential von mehr Klimaschutz verschafft. Noch nie war dabei eine solche breite und vielfältige Akteursgruppe an Bord. Diese Dynamik müssen wir aufrechterhalten, stärken und auch noch gegen die letzten Abwehrkampagnen der Energiedinosaurier zum Erfolg führen.