Bewerbung um Euer Votum für EGP Kandidatur

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Liebe Freundinnen und Freunde,

im November 2015, vor unserer nächsten Bundesdelegiertenkonferenz, wird die Europäische Grüne Partei (EGP) ihren neuen Vorstand wählen, dessen Amtszeit 4 Jahre, also bis nach der Europawahl 2019, dauern wird. Ich möchte erneut als Ko-Vorsitzender der EGP kandidieren und bitte um ein Votum des Länderrates zur Unterstützung für diese Kandidatur.

Lage der europäischen Grünen

Mit EU-weit durchschnittlich etwa 6% Stimmanteil haben die EGP-Mitgliedparteien rund 1% schwächer abgeschnitten als fünf Jahre zuvor. Während die Zahl der Grünen EP-Abgeordneten aus Frankreich von 15 auf 6 stark sank, schnitten Grüne aus Schweden, England, Österreich, Luxemburg, Kroatien und Ungarn besonders erfolgreich ab. Die Gesamtzahl der Grünen MdEP sank, die Zahl der Grün vertretenen Länder stieg; erstmals sind auch mitteleuropäische Länder dabei. In einigen Ländern, in denen es nicht zu Mandaten reichte, war trotzdem ein Positiv-Trend zu beobachten, so in Irland und Tschechien. Die größten Schwächen der europäischen Grünen finden sich in Italien, Polen und Spanien südlich von Katalonien. Außerhalb der EU sind die Grünen vor allem in der Schweiz und Norwegen politisch wirksam.

Auch wenn es unmöglich ist, die Situation der verschiedenen Grünen Parteien über einen Leisten zu schlagen, kann man doch feststellen, dass die Auswirkungen der europäischen Krise auf die Grüne Partei-Familie negativ waren. Typische Grüne Themen wurden aus der öffentlichen Aufmerksamkeit zurückgedrängt; das grandiose Scheitern von COP15 in Kopenhagen im Jahr 2009 hat auch das Kernthema der ökologischen Transformation geschwächt. Der Herausforderung, ökonomische Themen, die nach vorne drängen, Grün zu bearbeiten, waren die EGP-Parteien insgesamt dann aber nicht ausreichend gewachsen. Schließlich entstanden in verschiedenen Ländern populistische Bewegungen, die in der Mobilisierung und Formulierung von Opposition gegen den status quo erfolgreicher waren als die dortigen Grünen. Es gelang Grünen auch nicht genug, Themen aufzugreifen, die verstärkt Konjunktur hatten, etwa das Thema Korruption, und Zielgruppen zu adressieren, die nicht immer schon als grün-nah galten; dort, wo das gelang, zum Beispiel in Österreich und zuletzt in England, brachte es Erfolg.

Bezüglich der Europa-Politik sind die EGP-Parteien heute geschlossener als vor zehn oder 15 Jahren. Anti-EU-Haltungen sind auf EGP-Ebene nicht mehr relevant. Andererseits ist der sehr expressive Europa-Föderalismus, der vor einigen Jahren noch massiv vertreten wurde, auch zurückgegangen. Bezüglich der europäischen Wirtschaftspolitik und der Grünen Antworten auf die Krise hat die EGP eine entschiedenere Absage an den in den EU-Institutionen vorherrschenden Austeritäts-Kurs formuliert als die deutschen Grünen. Das Wahl-Manifest zur Europawahl 2014 beschlossen die EGP-Delegierten einstimmig. Das Experiment Spitzenkandidatur zur Europawahl wurde von den Delegierten der Mitgliedsparteien bei der Evalierung auf dem EGP Herbstgipfel in Istanbul positiv bewertet.

Es ist eine wachsende Herausforderung, die EGP und ihre Mitgliedparteien angesichts der zunehmenden Spaltungen innerhalb der EU-Länder und der Spannungen zwischen ihnen nicht nur politisch zusammenzuhalten, sondern auch als sichtbare und in den großen Fragen gemeinsam agierende europäische Kraft zur Wirkung zu bringen. Die EGP kümmert sich aktiv darum, dass sich nicht innerhalb unserer Familie verschiedene Lager bilden oder gar verfestigen. Fast alle Mitgliedparteien stehen vor der doppelten Aufgabe, einerseits das Grüne Profil zu stärken und dabei weiterzuentwickeln und sich andererseits für politische und gesellschaftliche Bündnisse, Bewegungen und andere Partner zu öffnen. Diese Herausforderungen und Aufgaben können die stärkeren Grünen Parteien im Zweifel auch je für sich alleine bearbeiten. Für die Grüne Partei-Familie als ganze dagegen und für ihre schwächeren Mitglieder ist ein Bedeutungsgewinn und damit mehr Durchsetzungskraft für Grüne Ziele nur durch verstärkte Zusammenarbeit vorstellbar. Dabei geht es insbesondere auch um die stärkere bilaterale und plurilaterale Zusammenarbeit; für letztere ist zum Beispiel die Grüne Bodensee-Konferenz ein sehr positives Beispiel.

Meine Ziele

Ich möchte meine Arbeit im nächsten Committee der EGP besonders darauf konzentrieren, zusammen mit den Mitgliedparteien, mit den Grünen Kolleg*innen im EP und auch der FYEG eine erfolgreiche Europawahl 2019 vorzubereiten. Wenn wir unsere Arbeit gut machen, haben wir die Chance, 2019 dritte Kraft im Parteienspektrum der EU zu werden. Zum zweiten will ich an der Entwicklung einer systematischeren Grünen „Nachbarschaftspolitik“ mitwirken, die sich nicht nur auf die EGP-Mitgliedparteien jenseits der EU bezieht, sondern auf alle Länder unserer südlichen und östlichen Nachbarschaft.

Meine Vorstellung einer stärkeren EGP zielt nicht auf eine Brüssel-Fixierung, die unter Grünen genau so wenig attraktiv wäre wie sonst auch, sondern auf eine vielfältige Vernetzung. Karlsruhe hat die EU im Maastricht-Urteil als eine Union der Mitgliedländer und eine Union der Bürgerinnen und Bürger definiert. Auch die EGP sollte einen vergleichbaren Doppelcharakter fördern. Dazu müsste sie meines Erachtens vor allem zwei Aufgaben angehen: die Vernetzung so zu entwickeln, dass sie der Arbeit vor Ort nützt, so dass „Europa“ weniger fremd ist; und die „individual supportership“ weiterentwickeln, die sich an Europa-affine Aktivist*innen wenden soll.

2014 hat die EGP im Europawahlkampf mehr „gemeinsame Kampagne“ gemacht als früher. 2015 bemüht sich die EGP um möglichst viel Resonanz für eine gemeinsame Klimakampagne hin zur Pariser COP21 Konferenz. Dabei soll „carbon divestment“ eine prominente Rolle spielen. Wie weit wir dabei kommen, werden wir sehen. Es klappt immer nur, was die Mitgliedparteien selber wollen. Aber wir sollten als EGP daran arbeiten, dass wir über die Erfahrung und die Instrumente zum gemeinsamen Handeln dann verfügen, wenn dieses Handeln gewollt wird.

Den europäischen Grünen stehen wie der EU selbst einige schwierige Orientierungsdebatten bevor. Dabei geht es nicht nur um thematische Fragen. Das auch. Es geht aber ebenso um Grundorientierungen. Es geht um die Bestimmung einer Grünen Agenda, die up to date ist, indem sie die Antworten gibt, die gefragt sind, und nicht nur die, welche wir eh schon vorbereitet haben. Es geht um unsere Alternative zum vorherrschenden Kurs, der die EU an die Wand zu fahren droht. Um unsere Rolle als Partei des Wandels. Um die Balance von Alternative im System und Alternative zum System. Darum, den populistischen und den nationalistischen Parteien entgegen zu treten und dabei selber wieder stärkeres Momentum zu entwickeln. Darum, die europäische Erzählung vom großen Einigungswerk weiterzuschreiben mit Blick auf Europas globale Verantwortung. Die Debatten gibt es, denke ich, mit oder ohne EGP. Es wäre aber schön, wenn die EGP dazu beitragen könnte, dass in solchen Debatten die unterschiedlichen europäischen Erfahrungshorizonte miteinander verbunden werden. Das würde allen von uns helfen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mir Euer Votum gebt. Und ich würde mich auch sehr freuen, wenn unsere Partei sich insgesamt bei der EGP noch stärker beteiligt.

Schöne, Grüne Grüße,

reinhardbuetikofer-signature-transparent-bg - web

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Mein Europa-CV

  • 1953 – geboren in Mannheim in der Kurpfalz, einer europäischen Kernregion,
  • 1963ff – Latein, Englisch, Altgriechisch gelernt; mit Spanisch, Russisch, Französisch, Esperanto und Chinesisch dilettiert,
  • 1992 – Europapolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion Baden- Württemberg, bis 1996,
  • 1993 – Ko-Autor des Grünen Europawahlprogramms für 1994,
  • 1998 – Erneut Mitarbeit am Europawahlprogramm, gescheiterte Europakandidatur für 1999,
  • 1999 – Ständiger Delegierter von Bündnis 90/Die Grünen bei den Europäischen Grünen/der EGP bis zum Ende meiner Zeit im BuVo 2008,
  • 1999 – Mitglied im Böll-Fachbeirat Europa/Transatlantik, bis heute,
  • 2002 – Organisation des Kongresses der Europäischen Grünen in Berlin,
  • 2004 – Delegierter beim Gründungskongress der EGP in Rom, Mitglied der EGP-Wahlkampf-Koordination für die Europawahl,
  • 2008 – Mitglied der MV der Europäischen Grünen Stiftung (EGF), bis heute,
  • 2009 – Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen bei der Europawahl, zeitweise Mitwirkung an EGP-Wahlkampf-Koordination,
  • 2009 – MdEP, Schwerpunkte Industriepolitik, EU-Transatlantik, EU-China,
  • 2009 – Schatzmeister/Stellv. Vors. der Grünen/EFA-Fraktion, bis 2012,
  • 2010 – Mitglied Präsidium der Europa-Union Deutschland (EUD), bis 2012,
  • 2012 – Ko-Vorsitzender der EGP, zusammen mit Monica Frassoni, bis 11/2015,
  • 2014 – Koordination EGP-Wahlmanifest, EGP Primary, Wiederkandidatur zu EP,
  • 2014 – Als MdEP weiterhin Schwerpunkte bei Industrie- und Außenpolitik.

 

Zur EGP

Der EGP gehören derzeit 45 Parteien aus 38 Ländern an; davon sind 39 Parteien Vollmitglieder mit Stimmrecht, drei sind Kandidaten und drei sind Assoziierte Mitglieder; zudem liegen Beitritts-Anträge von weiteren Parteien aus Litauen, Ungarn, Serbien, Mazedonien, Montenegro, Griechenland, Dänemark und Russland vor. EGP-Mitgliedparteien aus 13 Ländern sind im Europaparlament vertreten; kandidiert hatten Grüne aus 26 Ländern. In vier EU-Ländern – Schweden, Luxemburg, Griechenland, Lettland – stellen Grüne Parteien nationale Minister*innen. Mitgliedparteien in 23 Ländern sind in nationalen Parlamenten vertreten. Das Land mit den meisten Grünen Parteimitgliedern ist seit Anfang 2015 das Vereinigte Königreich. Dem EGP-Vorstand (Committee) gehören 9 Personen an; die derzeit amtierenden 8 Mitglieder, die 2012 gewählt wurden, kommen aus Italien, Spanien, Schweden, Finnland, Belgien, Frankreich, England und Deutschland; ein neuntes Mitglied wird demnächst nachgewählt, dafür bewerben sich gerade 5 Kandidat*innen aus Mittel- und Südosteuropa. Die EGP ist Mitglied der Global Greens, denen auch Grüne Föderationen aus Afrika, aus den Amerikas und aus dem Asiatisch-Pazifischen Raum angehören. Die EGP wird voraussichtlich 2017 Gastgeberin der 4. Global Greens Conference sein.

 

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