Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments hat am 11. Februar 2014 mit 37 zu 2 Stimmen gegen den Vorschlag der Kommission für eine neue Saatgutverordnung gestimmt. Mit dem Vorschlag der Kommission sollten die unterschiedlichen europäischen und nationalen Richtlinien in einer einzigen Verordnung über die Erzeugung von Pflanzenvermehrungsmaterial und dessen Bereitstellung auf dem Markt zusammenzufassen. In der Umsetzung würde dies jedoch eine Einschränkung in der Freiheit der Akteure in der Auswahl des Saatguts bedeuten, da nach der neuen Verordnung nur noch kommerziell produziertes Saatgut zugelassen werden sollte.
Die EU-Saatgutverordnung und insbesondere der gemeinsame Saatgutkatalog wirken sich nachweislich negativ auf die genetische Vielfalt aus. Eine von der Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie, welche Ende Januar vorgestellt wurde, zeigt dass nur fünf Unternehmen, welche ebenfalls Pflanzenschutzmittel herstellen, über 50% des Saatmarktes kontrollieren – mit gravierenden Auswirkungen auf Bauern, biologische Vielfalt, Innovation und Nahrungsmittelsicherheit. So ist der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge, die Diversität von Kulturpflanzen im Laufe des 20. Jahrhunderts bereits um 75% zurückgegangen, ein Drittel der heutigen Diversität könnte bis 2050 zusätzlich verschwinden. Die genetische Vielfalt von Nutzpflanzen ist jedoch zum Beispiel für die Anpassung der Pflanzen an die Folgen des Klimawandels unerlässlich.
Die von den Grünen veranlasste Studie deckt einen Widerspruch im Ansatz der Kommission zur Regulierung des Saatgutmarktes auf: Die Folgenabschätzung der Kommission ergibt beispielsweise das 95% des Gemüsesaatguts von lediglich fünf Unternehmen kontrolliert wird. Dennoch behauptet die Kommission, es gebe kein Problem einer Marktkonzentration. Nicht der Willen der großen Konzerne, welche lediglich von agro-chemischen Mitteln abhängiges Saatgut züchten, sondern Diversität muss die Grundlage der EU-Saatgutpolitik sein! Die Grünen im Europäischen Parlament fordern daher eine kartellrechtliche Untersuchung des Saatgutmarktes durch die Wettbewerbsbehörde der Europäischen Kommission und haben sich deswegen für die Ablehnung des Kommissionsvorschlags durch den Agrarausschuss eingesetzt.
Die Entscheidung des Ausschusses wird auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen begrüßt. So hatten mehr als 100.000 EU-BürgerInnen die Petition „Saatgutvielfalt in Gefahr – gegen eine EU-Saatgutverordnung zum Nutzen der Saatgut-Industrie“ unterzeichnet. Die Organisatoren der Saatgutkampagne sehen bereits durch die bestehende EU-Saatgutgesetzgebung die Sortenvielfalt in Gefahr, welche nur Saatgut registrierter Sorten zum Handel zulässt. Die Registrierungsanforderungen landwirtschaftlicher, Öko- und Vielfaltsorten seien allgemein nur schwer zu erfüllen und stellten einen unvertretbaren bürokratischen Aufwand dar.
Die Mängel des Kommissionsvorschlags sind schon länger bekannt. Die Abgeordneten des EU-Parlaments hatten bereits im Dezember 2013 über 1.400 Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag eingebracht, Sprecher aller Fraktionen haben in den vergangenen Wochen grundsätzliche Kritik an dem Entwurf geäußert. Das Europaparlament kann im Plenum mit einer Resolution nun eine Zurückweisung des gesamten Vorschlags beschließen. Indem die Parlamentarier dabei auf die Gründe für die Ablehnung eingehen, hat die Kommission die Möglichkeit aufgrund der Vorschläge einen verbesserten Entwurf zu erarbeiten. Die Abstimmung im Ausschuss sendet bereits ein positives Signal für die genetische Vielfalt von Saatgut, Nahrungsmittelsicherheit und nachhaltige Produktionssysteme in Europa. Im Rahmen unserer „Food Campaign“ werden wir Grüne bis zur Abstimmung und darüber hinaus weiter für biologische Diversität und Wachstum der ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft kämpfen!
Die vollständige von der Fraktion der Grünen/EFA in Auftrag gegebene Studie „Concentration of Market Power in the EU Seed Market“ (EN) könnt Ihr hier herunterladen.