Zur aktuellen China-Diskussion im Europäischen Rat und zur geplanten Reise von Bundeskanzler Scholz nach China erklärt Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grüne/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:
“Im Europäischen Rat wird endlich einmal wieder über die China-Politik der EU diskutiert. Doch angemessen viel Zeit werden die Staats- und Regierungschefs nicht haben, denn drängende Aktualitäten schieben sich wieder einmal gegenüber diesem geopolitischen Thema erster Ordnung in den Vordergrund. So richtig es ist, dass die EU sich vorgenommen hat, geopolitische Ambition zu entwickeln, so dramatisch ist es, dass sie bisher zu mehr als “Geopolitik im Nachtrab” nicht in der Lage ist.
Angela Merkel hat während ihrer Kanzlerschaft die von ihr selbst mitverursachte geopolitische Zögerlichkeit der EU gegenüber China systematisch genutzt, um deutsche Alleingänge zu inszenieren. Bundeskanzler Olaf Scholz scheint diesen Kurs fortsetzen zu wollen, obwohl die Ampel-Koalition sich zum Gegenteil, zu mehr europäischer Gemeinsamkeit, verpflichtet hat. Scholz betreibt “Merkel as usual”. Allerdings kann Scholz dabei auf weniger Unterstützung zählen als Merkel das zu ihrer Zeit konnte. Das zeigt sich etwa darin, dass er für seine Kirchturmpolitik in Sachen COSCO und Hamburger Hafen Widerstand aller sechs damit befassten Ministerien, der Sicherheitsdienste, der Europäischen Kommission und beider Koalitionspartner erntet. Tatsächlich wird Scholz’ Versuch, die COSCO-Beteiligung in Hamburg bei seiner geplanten China-Reise als Morgengabe mitzubringen, ihn gegenüber der Pekinger Führung schwächen, nicht stärken.
Bundeskanzler Scholz wird eine deutsche China-Politik im Alleingang nicht durchhalten können. Deshalb sollte er jetzt schon auf seine Kritiker zugehen. Jeder Versuch, bei seiner Peking-Reise für die deutsche China-Strategie politische Pflöcke einzuschlagen ohne dies mit den Koalitionspartnern abgestimmt zu haben, wäre nicht nur ein Foul sondern ein Fehler. Scholz sollte in China deutlich machen, dass wir die systemische Rivalität mit dem kommunistischen Regime dort ernst nehmen. Er sollte ein Zeichen setzen, dass die neue Bundesregierung, anders als die von Frau Merkel, sich für die von China sanktionierten Deutschen einsetzt und eine Rücknahme der Sanktionen erwartet. Er sollte die europäische und transatlantische Gemeinsamkeit gegenüber China hervorheben, wie es der Koalitionsvertrag tut. Er sollte Peking vor Taiwan-Abenteuern warnen. Und er sollte klarmachen, dass nicht die Interessen einiger Vorstandsvorsitzender von Großunternehmen die deutsche Wirtschaftspolitik gegenüber China bestimmen, sondern unsere deutschen und europäischen Werte und Interessen.”