Gemeinsame Presseerklärung von Dr. Sergey Lagodinsky und Reinhard Bütikofer
Beim heutigen Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel werden die EU-Russland-Beziehungen eine wichtige Rolle spielen. Auf dem Tisch liegt eine gemeinsame Mitteilung zu den EU-Russland-Beziehungen von EU-Kommission und HRVP Josep Borrell. Die Grünen im Europäischen Parlament hatten kürzlich eigene Vorschläge zur strategischen Neuausrichtung der Beziehungen vorgelegt.
Den heute bekannt gewordenen, überraschenden Vorschlag aus Berlin und Paris, ein Treffen zwischen EU-Staats- und Regierungschefs und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu organisieren, kommentiert Dr. Sergey Lagodinsky, russlandpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament:
„Wir hätten uns bessere Vorab-Koordination der deutsch-französischen Vorschläge, gerade mit Blick auf die baltischen Staaten, gewünscht. Auf der positiven Seite steht, dass der überraschende Vorstoß eine neue Dynamik im Vergleich zum faden Borrell-Entwurf entwickelt. Das angestrebte Dialogangebot vor dem Hintergrund der Sanktionshärte kann ein neues Werkzeug darstellen, doch ist es bedenklich, dass Deutschland und Frankreich gerade zu einem Zeitpunkt der zunehmend aggressiven inner-russischen Repression ein solches Treffen anregen. Eine ähnliche Gipfeltreffen-Taktik der Biden-Regierung hat weder für die russische Zivilgesellschaft noch für die Ukraine spürbare Ergebnisse geliefert, sondern lediglich Putins aggressive Vorgehensweise belohnt.“
Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament, ergänzt:
„Die passende Überschrift für die künftige Russlandpolitik der EU muss man nicht neu erfinden, sie ist bereits formuliert: „Dialog und Härte“. Josep Borrells Problem liegt darin, dass er als Hoher Vertreter im Russland-Dialog nicht genug Gewicht entfalten kann, weil sich, wo Härte nötig wäre, immer genug EU-Mitgliedsstaaten finden, die dazu gerade nicht bereit sind. So lange das so bleibt, muss Borrells Beitrag in erster Linie darin liegen, für analytische Klarheit zu sorgen, und auf dieser Basis den Hirtenhund zu geben, der die 27er-Schafsherde immer wieder zusammentreibt. Borrell muss den Club der Freunde der klaren Aussprache anführen. Das kann er, wenn er sich dafür entscheidet.“
Mit Blick auf die gemeinsame Mitteilung der Europäischen Kommission und des Hohen Vertreters kommentiert Sergey Lagodinsky:
„Borrells Russland-Vorlage ist eine Enttäuschung und ein weiteres Zeugnis außenpolitischer Schwäche der EU. Das Papier ist eine Bestandsaufnahme, keine Vision. Statt ein strategisches Ziel zu definieren, verliert sich der Hohe Vertreter im Klein-Klein. Vom Europäischen Rat erwarte ich ein deutliches Bekenntnis zur Unterstützung russischer Zivilgesellschaft und das Aufzeigen roter Linien, wenn es um Kooperation mit russischen Partnern geht. Diese roten Linien müssen auch klar kommuniziert werden. Wir Grüne im Europäischen Parlament haben bereits die Vorschläge für eine solche Strategie ausformuliert.“