Mit Blick auf die anstehenden US-Wahlen meint Reinhard Bütikofer, transatlantischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament:
„Am Tag der Präsidentenwahl und der Kongresswahlen in den USA schwankt die Stimmung bei den meisten europäischen Beobachtern und Beobachterinnen zwischen erwartungsvoll – für den Fall eines Biden-Sieges – und furchterfüllt, falls ein politisches Chaos ausbricht oder Donald Trump entgegen den Prognosen wiedergewählt wird. Im ersten Fall gibt es viel Hoffnung auf eine Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft. Im zweiten Fall wird deren fortdauernde Krise oder sogar deren Ende beschworen. Doch worauf es für Europa vor allem ankommt, und zwar unabhängig vom Wahlausgang in den USA, ist die eigene Entschlossenheit und Geschlossenheit.
Die historische Epoche liegt hinter uns, in der Europas Perspektiven mehr an der Verlässlichkeit der USA hingen als an eigenem Willen und an eigener Orientierung. Europas strategische Handlungsfähigkeit muss gestärkt werden, egal wer ins Weiße Haus einziehen wird. Sollte Biden siegen, wird es trotzdem keine Rückkehr zu einem transatlantischen Verhältnis geben, wie es zu Zeiten der Präsidenten G.H.W. Bush oder Obama bestand. Auch Biden wird von Europa mehr sicherheitspolitische Eigenverantwortung erwarten, wird sich mehr um die indopazifische Großregion kümmern als um die atlantische, wird in Handelsfragen kein einfacher Partner sein. Sollte Trump triumphieren, bliebe trotzdem für ein Europa, das einen Plan hat, die Chance, selbst zur Klimapolitik an Trump vorbei Partner in den USA zu finden.
Mit Biden würde Europa besser fahren. Aber Weltpolitikfähigkeit wird er uns nicht schenken. Und ob wir vermeiden, dass unsere Gesellschaften so tief gespalten werden, wie die amerikanische derzeit ist, das liegt auch an uns.“