#144 Konnektivität? Ja! | BÜTIS WOCHE

Auf die Billiarden-Euro-Frage, wie der Multilateralismus, zu dem sich Deutschland und die Europäische Union (EU) bekennen, verteidigt, aufrechterhalten und weiterentwickelt werden kann in einer Zeit neuer regionaler und globaler Großmachtpolitiken, gibt es theoretisch eine eindeutige Antwort: Die Multilateralisten aller Länder müssen sich zusammenschließen. Praktisch allerdings kommt man bei jedem entsprechenden Versuch sofort in erhebliche Schwierigkeiten, denn unter dem immer öfter unverblümten Druck der verschiedenen Mächte, die regionale oder globale Hegemonie anstreben, ist es für die weniger machtvollen Spieler auf der internationalen Bühne nicht eine ausreichende Antwort, wenn wir ihnen vorschlagen, sie sollten sich eben für das Prinzip des Multilateralismus zusammentun. So läuft das vielleicht im Seminar. In der rauen Realität klappt das meistens nur, wenn die Beteiligten damit auch erfolgreich relevante eigene Interessen zum Tragen bringen können. So ist für viele Länder auf dem weiten Weg zwischen Ostasien und Westeuropa die Warnung davor, sich von China abhängig zu machen, zwar vielleicht plausibel, aber nicht unbedingt ausschlaggebend, wenn ihnen ausschließlich im Rahmen von Chinas Belt and Road Initiative der Zugang zu nötigen Infrastrukturinvestitionen möglich erscheint. Gerade die kleineren Länder leben, um eine etwas frivole Paraphrase zu benutzen, nicht von dem Evangelium des Multilateralismus allein, sondern von jedem fairen Kooperationsangebot, das ihnen zugänglich ist.

 

Die sogenannte Konnektivitätsstrategie, die die EU letztes Jahr publiziert hat, ist geprägt von dem Ziel, solche Angebote möglich zu machen und damit als Europäische Union in wesentlich aktiverem Maße als bisher zur Gestaltung und Weiterentwicklung des Multilateralismus gerade auch im Wirtschafts- und Handelsbereich beizutragen. Bei Europas Konnektivitätsstrategie geht es um Zusammenarbeit bei Verkehrs- wie Datennetzen, um Zusammenarbeit in der Energiepolitik, bei der Entwicklung von Infrastruktur und um die Förderung des direkten Austausches zwischen den Menschen der beteiligten Regionen. Drei Schwächen allerdings hat diese europäische Konnektivitätsstrategie bisher. Erstens: Sie weiß nicht, über wie viel Geld sie verfügen wird. Zweitens: Es gibt bisher viel Zersplitterung statt einer kohärenten Governancestruktur. Drittens: Die Strategie ist bisher weitgehend unbekannt; sie erweckt wenig Phantasie, weil sie im Verborgenen blüht. Um die dritte dieser Herausforderungen zu adressieren, organisierte die Europäische Kommission am vergangen Freitag eine große EU-Asien-Konnektivitätskonferenz mit etwa 1.400 Teilnehmer*innen aus über 50 Ländern, von denen rund ein Viertel aus Asien kam. Hauptredner waren Kommissionspräsident Juncker und der japanische Premierminister Abe, der amerikanische strategische Denker Parag Khanna und die Premierminister von Finnland und Kroatien Rinne und Plenković. Während der Konferenz unterzeichneten Präsident Juncker und Premier Abe eine Vereinbarung über europäisch-japanische Zusammenarbeit beim Thema Konnektivität. Es sprachen auch die drei Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB). Insgesamt waren es 27 Redner*innen aus 19 Ländern, aus Deutschland neben Werner Hoyer, dem EIB-Präsidenten, Minister Altmaier, Cedrik Neike von der Siemens AG und ich.

 

Ich bin ziemlich stolz auf diese Konferenz, weil sie vor einem Jahr durch meine Initiative und auf der Basis eines Konzeptes von mir angestoßen wurde. Die Resonanz war sehr positiv. Ich hoffe darauf, dass das nur die erste Veranstaltung dieser Art war, dass wir in Zukunft jährlich ein solches Forum für Europas Bemühungen um Zusammenarbeit mit der asiatischen Region haben werden. China war dieses Mal nicht sehr hochrangig vertreten, obwohl es im Vorfeld das Bemühen gab, den chinesischen stellvertretenden Ministerpräsidenten Liu He für eine prominente Rolle bei dem Forum zu gewinnen. Auch Indien oder Australien und Singapur waren noch nicht sehr hochrangig vertreten. Aber es war ein guter Ansatz.

 

Die anderen beiden Herausforderungen für wirksame europäische Konnektivitätspolitik haben sich damit natürlich nicht erledigt. Wie viel Geld wird im Rahmen der mittelfristigen finanziellen Vorausschau zur Verfügung stehen? Wie können wir verhindern, dass jede betroffene Generaldirektion der Europäischen Kommission und der Auswärtige Dienst der EU jeweils ihre eigene Asienpolitik machen, statt systematisch zusammenzuwirken? Da ist gewiss noch sehr viel zu tun. Dass es aber gelang, mit dieser Konferenz ein Zeichen zu setzen, das zeigt, dass die EU nicht dazu verdammt ist, nur theoretische Erwägungen zu verfolgen und schöne Prinzipien hochzuhalten. Wir sind dabei, anzufangen, das Gute auch zu tun.


 

Sonst noch
  • In der letzten Woche wurde ich zum neuen Vorsitzenden der China-Delegation (D-CN) des Europäischen Parlaments gewählt. Meine Pressemitteilung.
  • Am 26. September stellte ich in Berlin die Studie „China’s International Commercial Courts for the Belt & Road: A gateway for Beijing’s bigger role in global rules setting“ vor. Hier findet Ihr einen Bericht dazu. Am 02. Oktober stelle ich die Studie in Brüssel vor.
  • Eine Gruppe von EU-Parlamentariern verschiedener Fraktionen fordert die EU-Kommission auf, zu prüfen, ob der geplante Bau eines neuen VW-Mehrmarkenwerks in der Türkei mit den EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar ist. Meine Pressemitteilung.
  • Bei den Nationalratswahlen in Österreich haben die Grünen laut Hochrechnungen mehr als 14 % der Stimmen erhalten. Damit haben sie ihr Ergebnis von 2017 mehr als verdreifacht, herzlichen Glückwunsch! Hier die Pressemitteilung von Werner Kogler, Monica Frassoni und mir.
  • Die Pressemitteilung von Monica Frassoni und mir zum Sonderbericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) über den Ozean und die Kryosphäre könnt Ihr hier nachlesen.

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