Vom 01. bis zum 08. September besuchte ich Hongkong, Qingdao und Beijing. In Hongkong hatte ich zahlreiche Informationsgespräche mit europäischen Diplomaten, mit Vertretern der Hongkonger Demokratiebewegung – von erfahrenen Veteranen wie Martin Lee bis zu jungen Aktivisten –, mit einem Mitglied des Executive Council, mit Vertretern der deutschen und europäischen Kammern und mit Journalisten. Eine der Kommunistischen Partei (KP) nahestehende, nationalistische Zeitung in Hongkong gab sich Mühe, meinen Besuch als Beweis für ausländische Einmischung zu denunzieren, Medien in Festlandchina plapperten den Unsinn nach. Die ganze scharfe Propaganda, die gegen die Demokratiebewegung gemacht wird, ist Ausdruck des monopolistischen Machtanspruches der Pekinger Führung und zugleich auch einer skurrilen politischen Hilflosigkeit. Eine kluge Beobachterin sagte, man müsse sich wohl um die chinesische Außenpolitik insgesamt große Sorgen machen, wenn Beijing noch nicht einmal mehr Hongkong verstünde und keine Wege fände, mit den Menschen dort ohne Konfrontation eine tragfähige Lösung zu finden. Mit einer Entsendung der chinesischen Armee nach Hongkong, um die dortige Bewegung niederzuschlagen, rechnen für die nächste Zeit die wenigsten, aber immer wieder war von der Möglichkeit die Rede, entsprechend einer britischen Kolonialregelung aus dem Jahr 1922 den Ausnahmezustand zu verhängen. Währenddessen verfahren die ganz überwiegend jungen Demonstranten sozusagen nach dem alten Sponti-Spruch: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Das Auslieferungsgesetz, das die rechtlichen Freiheitsgarantien für Hongkong wirkungslos gemacht hätte, haben sie jedenfalls weggekämpft. Manche Demokraten älteren Semesters sagten dazu: „Das hätte unsere Generation alleine nicht geschafft.“ Ein Paradox der politischen Lage in Hongkong ist, dass, obwohl allenfalls einige völlig irrelevante Splitter der Aktivisten Hongkongs Zugehörigkeit zu China kritisieren, de facto das Gefühl, mit dem Festland eng verbunden zu sein, auf breiter Front schwindet. Eine Frau aus dem Establishment sagte: „Nur maximal 40 % der Hongkonger denken patriotisch, die anderen denken westlich.“ Das beinhaltet offenkundig ein verheerendes Urteil über Pekings Politik gegenüber Hongkong. Dabei ist Hongkong nun einmal Teil Chinas. Aber ohne Platz zu schaffen dafür, dass die Menschen in Hongkong Teil Chinas und trotzdem anders sein können, wie es das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ einmal zu versprechen schien, wird sich Peking den Menschen weiter entfremden. Manche Menschen aus dem Establishment plädieren deswegen für Kompromisse mit der Demokratiebewegung. Doch Peking will davon bisher nichts wissen und Carrie Lam, Chief Executive in Hongkong, hat nichts (mehr) zu sagen.
In Qingdao nahm ich an der 14. Auflage des Deutsch-Chinesischen Dialogforums teil, das nun von den ehemaligen Wissenschaftsministern Annette Schavan und Wan Gang geleitet wird. Entsprechend waren die Themen stark wissenschaftsorientiert. Das nächste Mal trifft sich die Gruppe in einem Jahr in Stuttgart.
In Peking trafen wir kurz Kanzlerin Merkel und Premier Li Keqiang, denen die Vorsitzenden des Dialogforums Ergebnisse der Beratungen vortrugen. Anschließend hatte ich noch eigene Termine mit Journalisten, Wirtschaftsleuten, Thinktankern und einem hochrangigen Mitglied des Nationalen Volkskongresses. Das Straßenbild in Peking war geprägt von den Vorbereitungen auf den 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China am 01. Oktober, der mit der größten Militärparade gefeiert werden soll, die es in Beijing jemals gab. Die öffentliche Propagandapräsenz der KP ist prima organisiert. Xi Jinping, der Staats- und Parteichef, wird vielleicht einen neuen Ehrentitel als Führer des Volkes bekommen. Doch je mehr die Kampf-Rhetorik zunimmt, desto mehr frage ich mich, welche Entwicklung der chinesischen Widersprüche wir tatsächlich zu erwarten haben.
Sonst noch
- Am 10. September trafen sich die Direktoren der Europäischen Investitionsbank. Monica Frassoni und ich begrüßten im Vorfeld des Treffens die Vorschläge, Investitionen in fossile Brennstoffe Ende 2020 zu beenden. Hier könnt Ihr unsere Pressemitteilung nachlesen.
- Die nächste Woche ist die erste Straßburg-Woche nach der Sommerpause. Es stehen u. a. folgende Themen auf der Agenda: auswärtige Angelegenheiten, Haushalt 2020, Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.
- Am 21. September nehme ich am Jubiläums-Parteitag der Grünen in Baden-Württemberg teil. Die Landesdelegiertenkonferenz findet genau an dem Ort statt, an dem vor 40 Jahren der Grüne Landesverband gegründet wurde: in Sindelfingen.
- Am 25. September werde ich bei einem DGAP-Workshop in Berlin zum Thema “The EU between China and Russia: A Smart Strategy for Greater Eastern Europe and Eurasia?” sprechen.
- Am 26. September werde ich in Berlin die Studie “China’s International Commercial Courts for the Belt & Road: A gateway for Beijing’s bigger role in global rules setting“ vorstellen. Hier mehr Informationen.
- Am 27. September veranstaltet die Europäische Kommission das erste „Europa Connectivity Forum” mit dem Titel „EU-Asia Connectivity: Building Bridges for a Sustainable Future“. Weitere Informationen über die Veranstaltung findet Ihr hier. Hauptredner wird der japanische Premierminister Abe sein. Es werden 500-600 Teilnehmer*innen erwartet. Ich freue mich sehr über dieses Format, das ich vor einem Jahr mitinitiiert habe.