Meine Bewerbungsrede für die Europaliste

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

als Friedrich Schiller vor 233 Jahren die Ode an die Freude schrieb, die die offizielle Hymne der EU und des Europarates wurde, da tat er das hier in Leipzig. Das Schillerhaus in dem man damals wohnte steht noch. Es war sozusagen Schillers Phase der revolutionären Euphorie. In der ersten Fassung seines Textes hieß es: “Bettler werden Fürstenbrüder”, das war damals eine ungeheure Provokation und ist es eigentlich heute noch, wenn man darüber nachdenkt wie sehr wieder die Frage welchen Platz du in deinem Leben haben wirst, in der Gesellschaft haben wirst vererbt wird.

Schillers Ideal einer Gesellschaft, einer gleichen Gesellschaft freier Menschen hat immer wieder begeistert, wo der Aufbruch zur Freiheit auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Heute müssen wir diese Vision in zwei Richtungen verteidigen: Gegen diejenigen die mit autoritär populistischer Haltung, Ausgrenzung und Hass an die Stelle von Geschwisterlichkeit setzen wollen, aber auch gegen diejenigen die zwar die Ode an die Freude mitsingen, aber in ihrer Praxis Ungleichheit groß machen. Die autoritären Populisten, die gesellschaftlich und politisch unser Gegenpol sind, sind nicht vom Himmel gefallen oder aus der Hölle gekrochen, sie sind gewachsen und wachsen noch auf der Basis eines Status quo der den hohen Idealen eben nicht gerecht wird, eines Status quo an dem nicht wenige verzweifeln. Die Populisten sind Symptom der Krisen unserer Gesellschaft bevor sie diese dann verschärfen. Viele Fragen auf die sie gefährlich falsche Antworten geben sind als Fragen legitim. Wir können gegen sie nur gewinnen, wenn wir mit allem was wir haben daran arbeiten, dass der Boden aus dem ihre Saat wächst umgepflügt wird, grün gesät wird und dass wir eine andere Perspektive entwickeln. Wir Grüne haben die Chance zum Pfeiler zu werden für ein Europa das Zukunft hat. Eine Alternative nicht nur zu den rechten Rattenfängern, sondern auch zu einem Status quo der nicht bleiben kann, weil er, um es analytisch scharf zusagen, nicht gerecht ist, ökologisch unhaltbar ist, nicht die Freiheit aller schützt und die Demokratie zu Gunsten der Mächtigsten verbiegt.

Europa durchlebt gegenwärtig viele Krisen, etliche davon haben enormes Zerstörungspotenzial, aber und das ist mir besonders wichtig, die Bürgerinnen und Bürger Europas sind zugleich dabei sich auf ihre Kraft der Erneuerung zu besinnen. Wir hatten die große 700.000 Leute umfassende Demonstration in London, wir hatten die große Demonstration in Berlin, #unteilbar, 100.000 Menschen demonstrierten in Bukarest unter Europafahnen gegen die Korruption, FlüchtlingshelferInnen in den zehn- oder hunderttausenden sind immer noch aktiv, die Feministinnen in Polen oder Irland sind aufgebrochen und haben die Realität verändert, sogar die Umfragen spiegeln es wider in Deutschland ist die Unterstützung des Gedankens der europäischen Einigung heute so stark wie seit 1983 nicht mehr. Die Stimme dieser Erneuerung mit der die Bürgerinnen und Bürger heute anfangen, die wollen wir sein, liebe Freundinnen und Freunde. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Europäischen Union und als Vorsitzender der Europäischen Grünen kann ich euch sagen, da sind wir auch nicht allein die Belgier, die Luxemburger, die Niederländer, die Finnen sind auch zweistellig und auch dort wo wir nicht zweistellig sind wächst das Grüne auf. Und ich glaube wir werden auch klug darauf schauen müssen, dass wir offen sind für Bündnisse der Erneuerung mit anderen, die den Kern unserer Forderung einer ein anderes Europa mittragen wollen. Wir haben die Chance eine gewichtigere Fraktion zu haben in den nächsten fünf Jahren als derzeit, mehr Grün darzustellen und es ist schön sagen zu können, dass die Europäischen Grünen insgesamt noch nie so einig waren in den vier Grundpfeilern ihres Selbstverständnisses nämlich Demokratie, Ökologie, soziale Verantwortung und Freiheit zu fördern.

Ich selbst will vor allem an zwei Baustellen, liebe Freundinnen und Freunde, meinen Beitrag leisten in den nächsten fünf Jahren. Zum einen mich für eine moderne, ökologische Industriepolitik in ganz Europa einsetzen, weil ich glaube, dass die Idee der öko-sozialen Transformationen nicht gelingen kann ohne die Industrie umzubauen und da ist ganz viel was wir heute tun können, weil uns heute Gewerkschaften, haben wir gestern erlebt, aber auch Unternehmen zuhören, die uns lange ignoriert hatten und das zweite was ich tun will, ich will in der Außenpolitik dafür sorgen, mit dafür sorgen, dass die Perspektive auf europäisches Souveränität an die Stelle tritt des nationalistischen Partikularismus und dass Europa in der Tat, wie Annalena das gesagt hat, weltpolitikfähig wird. Das ist die Aufgabe dieser Generation. Europa war lange das Projekt von Freiheit und Frieden innerhalb Europas heute müssen wir dafür sorgen, dass Europa auch das Projekt wird einer verantwortlichen Haltung in der ganzen Welt. Danke.

Und jetzt lasst mich, weil ich noch zwei Minuten habe, noch zwei persönliche Bemerkungen machen. Die eine bezieht sich nochmal auf Leipzig. Bei allem was ich in den letzten 15 Jahren, vor allem auch in Mecklenburg-Vorpommern gemacht habe, versucht habe Grün dort vor Ort zu unterstützen, hier in Leipzig das war der Ort an dem ich zum ersten Mal war nachdem die Grenze aufging, im November 1989. Und mir ist dieses Leipzig und diese Sachsen besonders ans Herz gewachsen und deswegen will ich in diesem Herbst, nicht nur in der Europawahl, sondern auch in diesem Herbst alles tun damit Sachsen nicht nach rechts kippt. Und bei allem was wir gerade gut hinkriegen ist es trotzdem nicht zu übersehen, dass diese Gefahr besteht und deswegen bin ich allen dankbar, die gesagt haben heute und es morgen sagen werden und es die nächsten Wochen und Monaten sagen werden, wir müssen uns da alle engagieren. Und meine zweite Bemerkung: Gestern Abend beim Realo-Treffen hat Till Steffen gesagt er erinnere sich noch an die Zeit als der Büti jung und schön war. Nun ist ja Schönheit im Auge des Betrachters, aber tatsächlich habe ich schon lange als Grüner in verschiedenen Funktionen Verantwortung getragen und es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ihr mir vielleicht zum dritten Mal ein Mandat für das EP gebt, aber genau darum bitte ich Euch. Danke.