Vor 50 Jahren marschierten mehr als 500.000 Soldaten des Warschauer Paktes in die damalige Tschechoslowakei ein, um die Demokratisierungs- und Reformbemühungen der dortigen Bevölkerungen und Regierung zu ersticken. Sie sollten die in Jalta beschlossene Spaltung Europas zementieren und die Macht des Kremls gewaltsam sichern. Ihre Gewehrläufe und Panzer zielten somit nicht allein auf die friedlich demonstrierenden Bürgerinnen und Bürger, sondern auch auf erste Lockerungen staatlicher Zensur und auf Reformen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
“Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht” lautet ein berühmtes Zitat des ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel. Und er soll Recht behalten. Denn wenngleich der friedliche Aufstand gewaltsam niedergeschlagen wurde, wenngleich die erzielten Reformen zunächst verworfen und die kommunistische Diktatur verschärft wurde, wenngleich tausende Menschen ihre Heimat verlassen mussten und “ihr Glück im Westen suchten”, so haben die Aufständischen des Prager Frühlings letztlich doch gesiegt. Die gewalttätige Niederschlagung hat einmal mehr die Brutalität der sowjetischen Diktatur offenbart und aufgezeigt, wie dieses unfreie autoritäre System überwunden werden kann und muss. Die friedlichen Proteste, die später die Berliner Mauer und die Sowjetunion zum Einsturz brachten, sind ohne den Prager Frühling nicht zu denken und daher war die Hoffnung auf Veränderung schon 1968 nicht ohne Sinn.
Das Gedenken an den Aufstand sollte uns heute zugleich Mahnung und Auftrag sein. Mahnung daran, dass bürgerliche Freiheiten auch heute keine Selbstverständlichkeiten sind und stets erkämpft und verteidigt werden müssen. Auftrag dazu, uns autoritären Tendenzen immer wieder entgegen zu stellen, denn Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliches Engagement werden vielerorts systematisch eingeschränkt: Aktivist/innen sind zunehmend Zielscheibe von verbaler und körperlicher Gewalt, ihre Arbeit wird diffamiert, behindert oder kriminalisiert. Nicht nur, aber vor allem in autoritären Regimen wie Russland unter Vladimir Putin.
Manuel Sarrazin ist Mitglied des Deutschen Bundestages seit 2008 und Sprecher der Grünen Fraktion für Osteuropapolitik.