Zu Jean-Claude Junckers Besuch in Washington am Mittwoch sagt Reinhard Bütikofer, transatlantischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei:
“Wunder wird Juncker nicht wirken, wenn er im Weißen Haus weilt. Um die Wirkung seines Washingtonbesuches zu verstärken, wird der Kommissionspräsident auch bei einem renommierten Think Tank auftreten. Doch warum geht er nicht in den Kongress? Dort sitzen, gerade auch unter Republikanern, sehr viele Gegner von Trumps Handelspolitik. Sie könnten viel empfänglicher sein für europäische Angebote zur Vermeidung eines Handelskrieges, als ihr Präsident, der EU-Feind. Während Juncker sich aufmacht, streiten hinter seinem Rücken insbesondere Deutschland und Frankreich darüber, wie weit er den USA Kompromissbereitschaft signalisieren soll. Dieser schon länger andauernde Streit gefährdet seine Mission. Zugleich ist er der einzige Vertreter Europas, der gegenüber Trump wirksam den Willen der EU-Länder vertreten kann, sich von den USA nicht herumschubsen zu lassen. Eine Herausforderung ist die Herstellung verlässlicher europäischer Gemeinsamkeit vor allem für Deutschland, denn Deutschland hat in dem Streit am meisten zu verlieren: zum einen, gegenüber den USA, wenn Trump tatsächlich gegen die Automobilindustrie losschlägt; zum anderen gegenüber unseren Nachbarn, wenn wir aus Furcht davor Sonderwege beschreiten wollten.
Was kann Juncker erreichen? Dass die US-Administration Europas Bedingung erfüllt, zunächst die illegalen Stahl- und Aluminiumzölle wieder zu streichen, steht nicht zu erwarten. Juncker wird mit Trump keinen definitiven Deal festzurren können, aber wenn Trump sich auf ernsthafte Verhandlungen einließe, die bis zum Jahresende Auswege ohne Handelskrieg ergebnisoffen prüfen würden, wäre das ein Erfolg europäischer Hartnäckigkeit. Wer weiß im Übrigen, wie die politische Lage in Washington nach den Kongresswahlen im November aussieht? Ein Erfolg wäre es auch, wenn sich die USA und die EU dazu aufraffen würden, Fragen der WTO-Reform gemeinsam und ernsthaft zu erörtern.
Während Juncker verhandelt, muss die EU aber gleichzeitig Vorbereitungen für den Fall treffen, dass Trump unerbittlich bleibt. Tatsächlich ist die Position der USA nicht ohne Schwachstellen. Dass die Geschäftsmodelle der großen Internetplattformen wie Google oder Amazon in Europa darauf ausgerichtet sind, hier so gut wie keine Steuern zu zahlen, bietet einen Druckpunkt, den die EU nicht verschenken darf.“