Weitreichende und teilweise sehr bedenkliche Beschlüsse zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik hat es auf dem EU-Gipfel am 22. und 23. Juni gegeben. Dazu meint Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP):
“Die Entscheidungen des EU-Gipfels in Sachen Verteidigung zeigen, dass Donald Trump seine Verbündeten in Europa wirklich erschreckt hat. Und da das Brexit-verwirrte Vereinigte Königreich nicht länger blockiert, werden tatsächliche Entscheidungen getroffen. Die EU macht die ersten Schritte hin zu einer Verteidigungsunion.
Richtig ist: Es war lange überfällig, dass die Länder Europas ernsthaft überlegen, wie sie mehr zu einer gemeinsamen Sicherheit beitragen können. Aber der Fortschritt kommt mit Haken und Ösen und Pferdefüßen.
Aus den Schlussfolgerungen des Rates hört man deutlich heraus, wie begeistert man offensichtlich dabei ist, den europäischen Haushalt für Rüstungsfinanzierung zu plündern. Nach Untersuchungen der EU-Kommission könnten die Mitgliedsländer jährlich zwischen 25 und 100 Milliarden Euro einsparen, wenn sie im Verteidigungsbereich wirksam kooperieren würden. Wieso müssen dann die Etats für Forschung und für Mittelstandsprogramme, die Europäische Investitionsbank, die Struktur- und Regionalfonds mit Beträgen zur Ader gelassen werden, die weit unterhalb des genannten Sparpotenzials liegen, aber deren Fehlen für andere Ausgaben schmerzlich zu spüren sein wird? Statt zum gemeinsamen Vorteil zu sparen, widmet man Mittel aus dem EU-Haushalt so um, dass es allen schadet.
Besonders bedenklich ist das geplante Finanzierungsprogramm für die Rüstungsindustrie. Die EU-Kommission sollte der Rüstungslobby nicht noch mehr Geld hinterherwerfen, sondern besser bestehendes Recht wie die EU-Beschaffungsrichtlinie durchsetzen und die EU-Mitgliedsstaaten zu mehr Zusammenarbeit bewegen.
Dass der Rat die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, die der Lissabon-Vertrag seit acht Jahren ermöglicht, jetzt endlich anpacken will, ist richtig. Richtig ist auch, dass in Zukunft die Battle Groups nach dem Athena-Mechanismus gemeinsam finanziert werden sollen.
Der Rat beschäftigt sich aber überhaupt nicht damit, dass Sicherheit niemals rein militärisch geschaffen werden kann. Eine Verkürzung der EU-Sicherheitspolitik auf Militärpolitik kann niemand mittragen, der Sicherheit ernst meint.”