Vom 5. bis zum 13. Mai fand dieses Jahr die Global Divestment Mobilisation statt. Diese Mobilisierung war eine weltweite Bewegung, die sich in den Sozialen Medien sehr stark niederschlug. Die Europäischen Grünen unterstützen sie und stellten dazu zahlreiche Materialien zur Verfügung. Divestment ist auch für uns deutsche Grüne ja kein neues Thema mehr. Mehrfach haben wir uns bei Bundesdelegiertenkonferenzen und auch auf Länderebene als Partei damit befasst, Beschlüssen zugestimmt und Ziele formuliert. In vier deutschen Städten wurde auf örtlicher Ebene Divestment beschlossen, also der Abzug kommunaler Finanzanlagen aus dem Bereich der fossilen Energien. Die erste Stadt, der das gelang, war Münster; seither sind Stuttgart, Berlin und Göttingen dazu gekommen. In Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hessen haben die Grünen in der Regierungsverantwortung Initiativen in Richtung Divestment/ Green Finance gemacht. In Nordrhein-Westfalen, wo sich die Landtagsfraktion auch letztes Jahr schon mit dem Thema Divestment beschäftigt hatte, sollte – so meine Information – kurz vor der Wahl mit der SPD zusammen im Landtag ein Beschluss gefasst werden, der allerdings wegen Vagheit auf Kritik von Divestment-Aktivisten stieß.
Doch ich bin unzufrieden. Auf der Webseite, der Facebook-Seite und dem Twitter-Account des Bundesverbandes fand die Global Divestment Mobilisation fast gar nicht statt; einzig ein Video der Europagruppe Grüne wurde einmal auf Twitter geteilt. Vor Ort wurde das Thema hier und da durchaus aufgegriffen, etwa in Hamburg, Leipzig und Freiberg (Sachsen). Bei der Abschlusskundgebung der Aktivitäten am 13. Mai vor dem Brandenburger Tor in Berlin war unter den etwa 200 Teilnehmer*innen der Aktion dann wieder nur ein mir bekanntes Grünes Gesicht.
Ich lasse mir, soweit dafür Bedarf besteht, gerne vorwerfen, dass ich ein bisschen in diese Divestment-Bewegung vernarrt sei. Ich halte sie für eine außerordentlich wichtige Bewegung, die in der Lage ist, ökonomisch und noch viel mehr politisch Druck zu machen für eine ehrgeizigere Transformation der Energiepolitik. Dazu trägt bei, dass diese Bewegung in breiteste gesellschaftliche Kreise hineinwirkt; sie umschließt neben Kommunen, Kirchengemeinden, Finanzinvestoren auch Versorgungswerke von Ärzten, Journalisten, Rechtsanwälten, außerdem Hochschulen, Sparkassen, Unternehmen und viele andere mehr. Die Divestment-Bewegung ist, energisch betrieben, in der Lage, politische Kräfteverhältnisse zugunsten einer progressiven Energiepolitik zu verändern. Eine der Reden, die bei der Berliner Kundgebung am 13. Mai gehalten wurden, kam von einem Aktivisten der ‘‘Ende Gelände-Szene‘‘. Eine andere Rede richtete sich in einer bemerkenswerten Mischung von realpolitischer Herangehensweise und fundamentaler Entschlossenheit an Wirtschaft, Finanzwelt und Politik. Die Divestment-Bewegung, das ist nicht Öko-Nische, im Gegenteil. Umso mehr müssen wir Grüne uns meiner Meinung nach die Frage stellen, warum wir in der bisherigen Mobilisierung nur hier und da eine Rolle gespielt haben. Wir haben es durchaus nötig uns mit diesen Bewegungen zusammenzutun. Das bietet eine prima Chance dem Klimathema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, das brauchen wir doch. Und wir wollen doch Bewegungspartei sein. Also kommt es darauf an Prioritäten zu setzen und uns nicht nur im Rahmen institutioneller Politik zu bewegen.
Vielleicht gibt es ja viel bessere Gelegenheiten zu zeigen, wie sehr wir für das Thema Klimawandel brennen, als diese Divestment-Bewegung, aber dann möchte ich wissen, wo diese sind und wo sie ergriffen werden. Vielleicht sollte uns doch ein Ergebnis der Wahlbefragung aus NRW nachdenklich machen, wonach die Kompetenzzuweisung der Wähler*innen an unsere Partei im Bereich Energie- und Klimapolitik deutlich zurückgegangen sei. Ich bin überzeugt: Kompetenzzuweisung kommt nicht nur von Expertenwissen, sondern auch von Engagement und der Bereitschaft, verlässlich und sichtbar für das als richtig Erkannte zu KÄMPFEN. Jetzt regieren wir immer noch in der Mehrheit der deutschen Bundesländer mit und haben gerade erst vier Städte, in denen wir uns mit dem Thema durchgesetzt haben. Das schaut nicht überzeugend aus.
Die Divestment-Bewegung wird weiterwachsen. Die Chance, sie als Grüne Partei engagiert zu unterstützen, kommt wieder. Ich bin überzeugt: Wir Grüne sind ein lernendes System, manchmal dabei unterstützt durch Nackenschläge und Wahlniederlagen. Also bin ich, trotz meiner Kritik, optimistisch.