Finanzmarkt und Klimaschutz, das klingt für viele erst einmal wie Feuer und Eis. Doch es findet eine kleine Revolution statt, die Hoffnung macht. Ohne lauten Knall. Sondern schleichend. In den Verwaltungen mancher Kommunen. In den Portfolios einiger Pensionsfonds. In den Fluren der fortschrittlicheren Finanzhäuser. Dort werden Banker, Investoren und CEOs zu Klimaschützern, weil sie Notwendigkeit dieses wirtschaftlichen Anpassungsprozesses erkennen. Es geht um kluges Investment und Divestment.
Es war im Juli dieses Jahres, dass sechs langjährige, auf Kohleprojekte spezialisierte Investmentbanker ihre Jobs bei der Deutschen Bank an den Nagel hängten und von Seiten ihres ehemaligen Arbeitgebers verlautete, es bestünden keine Pläne, die offenen Stellen neu zu besetzen. Für das Kohlegeschäft des Instituts, das seit langem unter Beschuss von Klimaaktivisten stand, signalisierte das einen bemerkenswerten Kurswechsel. Gute Gründe für ein Umsteuern finden sich zuhauf. In den letzten Monaten gab es eine ganze Reihe Beben, die die klimaschädliche fossile Energiebranche zittern ließen.
Da war die Insolvenz des größten amerikanischen Kohlekonzerns Peabody Coal. Dann kündigte Saudi Arabien an, seinen Erdölsektor zu privatisieren und die Staatsfinanzen auf eine Welt ohne fossile Energie auszurichten. Französische Banken beschlossen, Kohleprojekte nicht mehr mit Krediten zu unterstützen. Institutionelle Großinvestoren wie der norwegische Staatsfonds oder der Allianz-Konzern begannen, die Finanzmittel aus dem Kohlesektor umzuschichten. Die Versicherungsbranche bekommt die durch Extremwetterereignisse steigenden Kosten bereits seit Jahren zu spüren. Und erst vor kurzem räumte das Bundesfinanzministerium ein, dass die sogenannten Transitionsrisiken durchaus schwer wiegen. Das sind Kosten, die gegebenenfalls beim notwendigen Wechsel zu einer emissionsarmen oder emissionsfreien Wirtschaft entstehen. Wenn erschlossene Ölvorkommen oder gebaute Kohlekraftwerke dann nicht mehr genutzt werden können. Wenn Wirtschaftssektoren auseinanderbrechen, Infrastruktur obsolet wird. Erfolgt der Umbau ungeplant, spät und unter Druck, steigen Kosten und Risiken. Davor gefeit sind bisher weder Deutschland noch Europa.
Eine finanziell gefährliche Wette ist es für alle Investoren, wenn sie die impliziten Klima-Risiken ignorieren und darauf setzen, dass sich Maßnahmen, die der Marktwirtschaft klimapolitisch verantwortliche Regeln vorgeben, nicht so bald realisieren lassen werden. Seit die Warnungen der Klimawissenschaftler und der Druck aus der Zivilgesellschaft durch das Pariser Klimaabkommen in einen globalen Rahmenfahrplan zur Klimapolitik übersetzt wurde, haben wir einen politischen Kipp-Punkt erreicht. Klima-Skepsis mag noch eine Weile von den Trumps und Petrys dieser Welt weiter gepflegt werden. Die Wirtschaft besitzt die Freiheit zu solchem Eskapismus nicht. Wer als Investor gegen die Physik wettet, scheitert handfest ökonomisch.
Noch ziehen zwar Wirtschaft, Regierungen und Klimaschützer bei weitem nicht am selben Strang, um die Klimarisiken konsequent zu berücksichtigen. Aber es zeichnet sich klar ab, welcher Weg für alle der vernünftigste ist. Da die Finanzbranche kein Interesse an einem zerstörerischen Einbruch haben kann, muss sie einen Ausstieg aus fossilen Investitionen mit dem Forcieren der Finanzierung ökologischer Alternativen verknüpfen. Mehr Sensibilität für Klimarisiken und die Chancen des entsprechend nötigen wirtschaftlichen Wandels in den Finanzmärkten zu verankern, bedeutet eine enorme Aufgabe. Der Marktwert und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Infrastruktur hängen stärker denn je davon ab, welche Rolle sie in einer emissionsarmen Welt spielen können. Entsprechende Szenarien müssen Fixpunkte bei Kreditvergabe und Investitionsentscheidungen sein. Das fordert einen institutionellen Kulturwandel, der über die Etablierung von Nachhaltigkeitsabteilungen in Unternehmen weit hinausgeht. Nachhaltigkeit wird zur zentralen Kategorie für strategische Entscheidungen zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Es bedarf zudem eines zeitlichen Entscheidungs-Horizonts, der weiter reicht als die bei Unternehmen und Rating-Agenturen typischen drei Jahre.
Die Politik in London, Paris und den Haag ist Brüssel und Berlin bei diesem Umdenken voraus. Deutschland sollte da aber in der ersten Liga spielen wollen. Eine nachhaltige Finanzwende bietet nicht nur die beste Chance, mit Klimaschutzzielen ernst zu machen, sie bietet wohl auch die einzige Chance, den anstehenden wirtschaftlichen Wandel geordnet, ohne dramatische Verwerfungen zu stemmen: Gelänge das nicht, würde am Ende nicht nur Kapital, sondern es würden auch entscheidende Naturgrundlagen unserer Lebensweise zerstören.
Dr. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag & Reinhard Bütikofer, Vorsitzender Europäische Grüne Partei
Erschienen im Handelsblatt am 19.09.2016