Wer fossile Brennstoffe verbrennt, emittiert Treibhausgase und erhitzt damit dauerhaft das Klima. Wer der fossilen Industrie Geld leiht, befeuert die Klimakrise. Für die katastrophalen Folgen des Klimawandels trägt der Finanzsektor daher eine Mitverantwortung. Wir wollen, dass er sie wahr-nimmt und die Finanzwende einleitet, anstatt die Energie-, Verkehrs- und Agrarwende auszubremsen.
Milliardenbeträge sind über Kredite, Anleihen und Aktien in Unternehmen investiert, deren Ge-schäftsmodell im Wesentlichen auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe beruht. Wir wollen Finanzanlagen aus Kohle, Öl und Gas abziehen und in klimafreundliche Bereiche investieren. Diesen Ansatz verfolgt die weltweite Divestment-Bewegung, die sich derzeit mit großer Geschwindigkeit entfaltet. Im Umfeld des Pariser Klimagipfels haben sich private Investoren mit einem verwalteten Kapital von 3,4 Billionen Euro verpflichtet, aus fossilen Investitionen auszusteigen. Vom Europäischen Parlament über Bundestag und Landtage bis zur kommunalen Ebene sind wir Grüne Teil dieser Bewegung und arbeiten an der Finanzwende. Wir wollen, dass die öffentliche Hand nur noch bei solchen Unternehmen als Geldgeber auftritt, die ihren Profit nicht auf Kosten des Klimas erwirtschaften.
Klima- und Finanzsystem: Doppelkrise abwenden
Im Pariser Klimaabkommen einigten sich die Vertragsstaaten, die menschengemachte Erwärmung der globalen Mitteltemperatur bei deutlich unter 2°C zu stabilisieren. Etwa 80 Prozent der bekannten fossilen Brennstoffe werden dafür im Boden bleiben und ihren Nutzwert verlieren müssen. Trotzdem fließen weiterhin Billionenbeträge in den fossilen Sektor. Fossile Unternehmen wetten mit ihren Investitionen einerseits auf die Unfähigkeit von Politik und Gesellschaft, das selbstgesteckte Stabilisierungsziel zu erreichen, andererseits ignorieren sie offensichtliche Erfolge bei der Kostenentwicklung erneuerbarer Energien. Einer wird die Zeche letztlich zahlen müssen – die Energiekonzerne oder aber die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Steuern, Ersparnissen, ihrer Gesundheit und ihrem Leben.
In der Vergangenheit versprachen Investitionen in fossile Brennstoffe gute Renditen. Mit der wachsenden Dringlichkeit des Klimaschutzes werden solche Geschäfte immer riskanter. Den Betreibern von Kohlekraftwerken und Co. erodiert zunehmend die Geschäftsgrundlage. Dort investierte Ersparnisse und Rentenansprüche der Bürgerinnen und Bürger sind deshalb dem Risiko ausgesetzt, wertlos zu werden. Eine Korrektur der Überbewertung fossiler Energiehersteller („Carbon Bubble“) könnte zudem die Finanzmärkte erschüttern. Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit es keine abrupten Strukturbrüche gibt. Der Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft muss verantwortungsvoll gestaltet werden. Divestment ist finanzpolitische Vorsorge.
Mehr Transparenz: Klimarisiken im Finanzsektor offenlegen
Finanzwende heißt, dass Anleger klimafreundlich investieren und ihre Risiken zugleich ordentlich bewerten können. Die Preise müssen zunehmend die ökologische Wahrheit sagen. Wir Grüne for-dern dies schon lange. Doch leider gibt es keine belastbaren und vergleichbaren Daten über die Klimarisiken in Finanzanlagen. Auf Grüne Initiative im Europaparlament hat die EZB die Gefahren des Platzens der Kohlenstoffblase in den Bilanzen der Finanzmarktakteure für die Stabilität des Finanzsystems untersucht. Die Ergebnisse bestätigen die Risiken. Nun muss auf europäischer und nationaler Ebene politisch und in den Unternehmen gehandelt werden, um eine plötzliche Entwertung der Finanzanlagen zu verhindern.
Insofern ist es erfreulich, dass die Bundesregierung den Nutzen von Transparenz inzwischen end-lich anerkennt, nachdem sie das Thema jahrelang ignoriert hat. Erstmals schreibt das Bundesministerium der Finanzen in seinem Monatsbericht vom August 2016: „Erst wenn die Klimarisiken im Finanzsektor ausreichend transparent und verstanden sind, können sie richtig eingepreist werden.“ Besser spät als nie. Wir wollen, dass sich die Einsicht nun rasch in der Gesetzgebung wiederspiegelt. Der Gesetzgeber muss einheitliche und aussagekräftige Standards definieren. Uns Grünen ist es im Europaparlament gelungen, das für den Bereich der betrieblichen Alterversorgung erstmals durchzusetzen. Diese Rücklagen von rund 3.200 Milliarden Euro müssen zukünftig auf Klimarisiken gecheckt werden. Das verbessert das Risikomanagement im Interesse der Versicherten und der Umwelt. Solche Regeln brauchen wir nun auch für Banken, große Fonds und Versicherungen. Ratingagenturen müssen Umwelt- und Klimarisiken konsequent bei ihren Bewertungen einbeziehen. So erhöht Transparenz den Druck auf Banken und Versicherungen, ihr Angebot um klimarisikoarme Produkte zu ergänzen.
Finanzwende heißt, dass Finanzmärkte wieder dem Gemeinwohl dienen. Sind die Risiken erst einmal transparent und bewertbar, kann die Anlagepolitik besser auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Wir finden am Finanzplatz Frankfurt und darüber hinaus für unser Anliegen, Klimaschutz und Nachhaltigkeit am Finanzmarkt ernst zu nehmen, immer mehr engagierte Ansprechpartner*innen in der Branche. Wir wollen mit ihnen den Finanzmarkt in Deutschland zu einem grünen Finanzmarkt in dem Sinne weiterentwickeln, dass Anleger*innen in den verschiedenen Produktklassen (Aktien, Anleihen, Sparbriefe, Fonds und Lebensversicherungen, bei Indizes und Sicherungsgeschäften) jeweils passende, glaubwürdige und transparente nachhaltige Produkte finden. Wir meinen: Eine klare Ausrichtung auf die ökologischen, sozialen und ethischen Herausforderungen kann ein Standortvorteil für den deutschen Finanzplatz werden.
Dem Gemeinwohl verpflichtet: Für eine nachhaltige Kapitalanlagepolitik
Auffällig ist, dass sich öffentliche Körperschaften bisher weder durch Transparenz noch durch eine nachhaltige Anlagepolitik hervorgetan haben. Ein Skandal, wenn man bedenkt, dass gerade sie in besonderer Weise gefordert sind, ihr Handeln am Gemeinwohl zu orientieren.
Die Europäische Investitionsbank, die Staatsbank KfW, die Bundesbank, die Landesbanken, Landesförderbanken, Sparkassen, die öffentlichen Versicherer, der Fonds für Beamtenpensionen und die Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit und jene der Länder und Gemeinden, und mit ihnen die Gremien, die die Anlagerichtlinien festlegen – sie alle stehen als öffentliche Institutionen in der Pflicht, Transparenz über ihre Anlagepolitik herzustellen und ihr Kapital nachhaltig zu investieren. Das Engagement der KfW und der NRWbank bei der Entwicklung des Marktes für Green Bonds begrüßen wir als vorbildlich. Niemand erwartet, dass von einem auf den anderen Tag ein vollständiger Ausstieg aus klimariskanten Anlagen geschieht. Öffentliche Körperschaften müssen aber darlegen, wie sie ihre Kapitalanlagepolitik schrittweise mit dem Gemeinwohl in Einklang bringen.
In Ländern und Kommunen können wir Grüne bereits jetzt viel für die Finanzwende tun. Der größte Hebel liegt im Kreditgeschäft der Sparkassen und Landesbanken. Mit knapp 400 Milliarden Euro Ausleihe sind sie die wichtigsten Finanziers für inländische Unternehmen. Durch eine klare Ausrichtung auf Divestment und Nachhaltigkeit im Kreditgeschäft und in anderen Geschäftsbereichen können sie die Finanzwende an entscheidender Stelle voranbringen. Wir haben uns das bereits im Grün-Schwarzen Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg für die LBBW vorgenommen. In Berlin waren es wir Grüne, die im Abgeordnetenhaus durchgesetzt haben, dass Berlin Divestment-Hauptstadt werden will.
Auch bei den Pensionsgeldern muss die Finanzwende ansetzen. Um in Zukunft Beamtenpensionen bezahlen zu können, legen Länder und Kommunen Milliarden Euro an. Als erste Stadt Deutschlands hat Münster verbindlich beschlossen, fossile Anlagen abzustoßen. Es wäre ein gutes Signal, wenn viele Kommunen, dem Münsteraner Beispiel folgen würden. In Stuttgart gibt es auf grüne Initiative hin bereits eine entsprechende Entscheidung. Landesregierungen in Rheinland-Pfalz, Berlin, Schleswig-Holstein und Hessen arbeiten auf grüne Initiative daran, ihre Pensionsgelder künftig nachhaltiger anzulegen. Diese Neuausrichtung bei der Anlage von Pensionsgeldern wollen wir deutschlandweit vorantreiben.
Das gilt auch für die Zivilgesellschaft: Die evangelische Kirche von Hessen-Nassau ist hier ein Vorreiter. Trotz des bewundernswerten Engagements von Papst Franziskus für den Klimaschutz steht auf katholischer Seite ein Beispiel für klares Umsteuern in klimaschützende Finanzentscheidungen noch aus. Ansprechen wollen wir aber auch private Stiftungen sowie die berufsständischen Versorgungswerke, etwa von Ärzt*innen und Anwält*innen. Es ergibt keinen Sinn, wenn öffentliche Stellen und zivilgesellschaftliche Akteure weiterhin viel Geld in klimaschädliche Geschäftsmodelle pumpen, die an Wert verlieren, sobald Energie- und Verkehrswende gelingen. Die Finanzwende muss kommen – aus finanziellen Gründen und für ein stabiles Klima.
Berlin, 12. September 2016 Beschluss des Parteirats