Am 13. Januar hat die Europäische Kommission gegenüber Polen ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit bestimmter, von Regierung und Parlament beschlossener, Maßnahmen der neuen PiS-Mehrheit beschlossen. Genauer geht es insbesondere um einen innerpolnischen Konflikt um das dortige Verfassungsgericht und um Mediengesetze. Das nun eingeleitete Verfahren ist ohne Vorbild. Erst 2014 ist dafür überhaupt die Grundlage geschaffen worden.
Der erste Vizepräsident der Europäischen Union, Frans Timmermans, sagte bei der Präsentation der Kommissionsentscheidung es gehe um einen Dialog ohne Vorverurteilung.
In den letzten Wochen hatten die Töne aus Brüssel und Berlin ganz anders geklungen. Timmermanns selbst schrieb kurz vor Weihnachten einen respektlosen Brief an zwei polnische Minister und sorgte dafür, dass dieser durchgestochen wurde, noch bevor er in Warschau angekommen war. So beginnt man natürlich keinen Dialog.
Schlimmer getrieben hatte es Günther Oettinger, der davon sprach “man werde Polen” unter Aufsicht stellen. Wer nicht mit dem Schnellzug durch den Geschichtsunterricht gereist ist, kann nicht die Assoziation vermeiden, dass im 20. Jahrhundert Polen drei Mal “unter Aufsicht” gestellt worden war; einmal hieß das “Generalgouvernement”, einmal marschierten russische Truppen ein und einmal wurde das Kriegsrecht ausgerufen. Eine grausige Bilanz, und es ist schwer verständlich, dass Oettinger sich bisher weder entschuldigt hat, noch in angemessener Weise von denen, die dazu berufen wären, zurecht gewiesen wurde.
Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, der sich in dieser Rolle leider immer unglücklicher benimmt, geruhte die polnische Regierung mit dem Putin-Regime zu vergleichen. Glückwunsch an diesen brillianten Kopf der Sozialdemokratie. So kann man die europäischen Werte, um deren Verteidigung es geht, auch relativieren.
Volker Kauder schwadronierte von Sanktionen gegen Polen, bevor irgendein Verfahren überhaupt eröffnet war.
Selbst bei Polen, die keine Kaczyński-Fans sind, wurde viel europäisches Porzellan zerschlagen.
Wohl gemerkt: Es gibt Grund zur Beunruhigung. Höchst zweifelhaft erscheint das Vorgehen zur Besetzung einiger Vakanzen beim polnischen Verfassungsgericht und zur Funktionsweise des Verfassungsgerichts. Erhebliche Kritik, gerade auch aus Pressekreisen, zogen zwei Pressegesetze auf sich, die in einem besonders beschleunigten Verfahren durchgezogen worden waren, und einige durchaus hart gesottenen Äußerungen polnischer Regierungsvertreter machten die Sache gewiss nicht besser. Trotzdem muss, wenn der Geist europäischer Partnerschaft nicht ganz vergiftet und zerstört werden soll, selbst bei scharfen Kontroversen und Kritiken in der Sache ein Minimum an Respekt gegenüber dem Partner aufrechterhalten werden.
Ich habe mich dafür von Anfang an eingesetzt und habe mich gefreut mit Elmar Brok, dem Vorsitzenden des Ausschusses Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, Ruprecht Polenz, dem früheren Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und Norbert Röttgen, seinem Nachfolger, auch drei prominente Christdemokraten an meiner Seite zu sehen.
Das von der Kommission begonnene Verfahren wird jetzt seinen Gang nehmen. Hoffnung macht, dass gleichzeitig die Zivilgesellschaft in Polen nicht schläft. In großen Demonstrationen hat sie sich deutlich zu Wort gemeldet. Diese Kräfte muss das EP aktiv unterstützen. Die Kraft der Zivilgesellschaft sahen wir vor kurzem in Rumänien, wo eine korrupte und autoritäre sozialistische Regierung, die kurz zuvor noch völlig sicher im Sattel zu sitzen schien, gehen musste.
Übrigens: Es gibt auch noch andere Themen, die wir mit Polen besprechen sollten. Das sollten wir nicht vergessen. Zum Beispiel die Debatte um Nordstream 2. Da stehen wir Grünen an der Seite Polens.