Mein Besuch bei der diesjährigen Frankfurter Automobilausstellung IAA war natürlich geplant, bevor der VW Skandal über die deutsche Autobranche hereinbrach. Bei Gesprächen am Rande einer TTIP Podiumsdiskussion und danach beim IAA Rundgang – Danke, VDA! – war die Aufregung über die VW Betrügereien so groß, wie man das erwarten musste; war die Empörung über die kriminelle Energie, die da zu Tage trat, sehr glaubwürdig; war Häme von anderen Automobilisten gegenüber VW für mich nicht zu spüren. Am Bemerkenswertesten aber war: zu sehen, wie wenig Übereinstimmung darüber bestand, welche Strategiedebatte in Deutschlands Vorzeigebranche Auto denn nun erforderlich sei.
Sicherlich legt man gegenüber dem grünen Besucher im kurzen Gespräch nicht gleich alle Karten auf den Tisch. Deutlich auszumachen war trotzdem, dass die Überlegungen in sehr verschiedene Richtungen gehen.
Am wenigsten klarblickend empfand ich diejenigen Stimmen, die mehr oder weniger explizit eine Art nationale Geschlossenheit zur Verteidigung „unserer Automobilbranche“ einforderten – „right or wrong, my diesel!“ – oder die, fast hilflos, beteuerten, irgendjemand, der in dieser Sache hinreichend Glaubwürdigkeit besitzend, bzw. „die Politik“ ganz allgemein, müsse nun der empörten Öffentlichkeit detailliert darlegen, welche technischen Vorteile doch so ein Diesel habe. Zum Teil kam mir das wie eine Vogel-Strauß-Reaktion vor.
Wohlgemerkt: mein Ziel ist es nicht, die Dieseltechnologie kaputtzuschreiben. Ein überfallartiger Abschied von dieser Technik scheint zudem kaum möglich zu sein, da sie am europäischen Automobilmarkt immerhin rund 50% ausmacht. Und ja, dieselben amerikanischen Forscher, die VW auf die Schliche kamen, stellten bei derselben Untersuchung fest, dass BMW die Referenzwerte einhielt. Und gegenüber der deutschen Umwelthilfe, um nur eine wichtige Stimme zu nennen, die seit langem zurecht bemängelt, dass die bisherigen Prüfverfahren – mit Duldung der Politik! – eben nicht die „Real Drive Emissions“ (RDE) abbilden, könnte ein Diesel-Fan darauf verweisen, dass bis zum Jahresende ja die neuen RDE-Prüfverfahren stehen sollen. Aber ändert das irgendetwas daran, dass der Diesel im Eck steht?
Ich würde sagen: der VW Skandal erschüttert auch die Strategie der deutschen Automobilkonzerne, die zur Erfüllung von Emissionszielen, vor allem bei CO2, ganz zentral auf die Dieseltechnologie gesetzt haben. Es scheint mir auf der Hand zu liegen, dass die „Clean Diesel“-Offensive in den USA auf Dauer eingestellt werden kann. Diesel ist dort nach diesem Skandal wenn nicht tot, so zumindest auf der Intensivstation mit außerordentlichen schlechten Prognosen.
Diese Meinung teilten übrigens mehrere meiner Gesprächspartner privat und hinter vorgehaltener Hand. Es muss aber für die deutsche Automobilbranche ein erhebliches Problem darstellen, wenn sie bezüglich alternativer Antriebe, welche die Klimapolitik einfordert und noch stärker einfordern wird, der Hybridstrategie von Toyota und anderen nicht mehr den „Clean Diesel“ gegenüberstellen kann. Das ist umso schwerwiegender, als in den letzten Jahren ein beispielloser Werbeaufwand getrieben wurde, um diese in den USA unbeliebte Technologie in den Markt zu drücken.
Ignorieren kann man auch nicht die Tatsache, dass, wer immer da bei VW betrogen hat, dies gewiss nicht aus Jux und Tollerei tat. Sondern: Weil es zu den für akzeptabel gehaltenen Kosten anscheinend keine Lösung gab, um die verschiedenen umweltpolitischen Standards mit für die Kunden akzeptablem Aufwand einzuhalten. Daraus folgt doch zwingend die Frage, wie dies wohl in Zukunft gelingen soll.
Es kann sein, dass sich später im Rückblick der VW Skandal als der Zeitpunkt identifizieren lassen wird, zu dem der Versuch, umwelt- und klimapolitische Anforderungen möglichst lange auf der Basis von Verbrennungstechnologie anzugehen, gescheitert ist, und durch einen Schwenk zur Hybrid und E-Mobilität abgelöst werden musste, nachdem die deutsche Automobilbranche diese Technologie in der Vergangenheit nur zögerlich angegangen war.
Alle großen deutschen Hersteller hatten bei der IAA Hybride anzubieten und Konzeptautos für volle E-Mobilität. Aber überall war auch die alte Leier zu hören von den Kunden, die halt einfach auf E-Mobilität nicht „abfahren“. Solchen Ausreden wird man sich nicht mehr hingeben können.
Schon bisher wären bessere Marktergebnisse erzielbar gewesen, wenn E-Mobilität so energisch in den Markt gedrückt worden wäre, wie das mit dem „Clean Diesel“ geschah.
Ich glaube, Deutschlands Automobilbauer müssen sich da noch mehr beeilen, um aufzuholen. In Bezug auf die nächste, dritte Batteriegeneration will man das offensichtlich im Verbund mehrerer Firmen bereits anpacken. Aber bei keinem deutschen Hersteller sah ich solche Begeisterung, solchen Optimismus, solche Entschlossenheit zum Vorantreiben der E-Mobilität wie bei – Tesla. Die wurden in manchen meiner Gespräche noch abgetan. „Schickimicki-Autos“ für Leute, die mal schnell 100.000€ übrig haben, hieß es. Teslas Reaktion darauf war sehr selbstgewiss. Sie setzen darauf, mit ihrem in Aussicht gestellten Modell 3 in vielleicht drei Jahren das Preissegment ab 35.000€ aufzumischen.
In diesen drei Jahren wird sich wohl entscheiden, wie viel Autokompetenz aus Deutschland in der weiteren Zukunft für ein erfolgreiches „Made in Germany“ stehen wird. In Stein gemeißelt ist es nirgends, dass Deutschland DAS Automobilland bleibt.