Internationale Divestmentkonferenz Paris

Diese Konferenz hat schon stattgefunden. Vielen Dank an die vielen ZuschauerInnen, vor Ort in Paris oder im Livestream und natürlich an alle spannenden ReferentInnen.

Ein Videomitschnitt ist hier zu finden.

Info

An der Schnittstelle zwischen Klimaaktivismus und Finanzmarkt ist eine junge Bewegung im starken Zuwachs, die entschieden und effektiv gegen Klimawandel angeht: die Divestment aus fossiler Energie Bewegung.

Bereits jetzt kann von beachtlichen Erfolgen gesprochen werden. Eine ganze Reihe von Akteuren – von Universitäten, Städten, religiösen Gemeinschaften bis hin zu Pensionsfonds, Medienorganisationen oder Industrieunternehmen – ziehen ihr Geld aus Anlage in fossile Energieunternehmen ab – sie divesten. Norwegens Staatsfonds oder der Lutherische Weltbund sind nur die neuesten Namen auf einer Liste von Organisationen, die diesen Weg gegangen sind.

Zusammen mit 350.org und der Greens/EFA Fraktion im Europäischen Parlament organisieren die Europäischen Grünen eine internationale Konferenz in Paris zum Thema Divestment aus fossiler Energie, um dieses wichtige Thema ein Stück höher auf die öffentliche Agenda zu bringen, für die Risiken der sogenannten Kohlestoffblase zu sensibilisieren und die Möglichkeiten zur Stärkung eines nachhaltigen Finanzsystems aufzuzeigen.

Mit Gästen aus den USA, Europa und aus dem Globalen Süden diskutieren wir, wie wir eine CO2 Blase verhindern, Investitionen aus dem fossilen Sektor abziehen und die Finanzierung klimafreundlicher Projekte stärken können.

Mit dabei Bill McKibben von 350.org, Stephen Heintz vom Rockefeller Brothers Fund, die NGO Carbon Tracker Initiative, UNEP, Impax Asset Management, Mitglieder der Kirchen und Glaubensgemeinschaften, Klima- und COP21 AktivistInnen, Mitglieder der progressiven Investment und Unternehmenscommunity und viele mehr.

Ein vollständiges Programm findet sich hier.

Gemeinsam organisiert durch Europäische Grüne Partei + 350.org + Grüne/EFA Fraktion im Europäischen Parlament

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Hintergrund: Die CO2-Blase und die Divestment Idee

Die internationale Gemeinschaft hat sich einem eindeutigen Ziel verpflichtet: Die Erderwärmung soll bis zum Ende des Jahrhunderts auf maximal zwei Grad begrenzt werden. Dazu haben sich 2010 auf der UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún die Vertreter von 194 Staaten bekannt. Selbst die USA und China, die das Kyoto-Protokoll nie unterzeichnet haben, tragen den Beschluss wie alle anderen wichtigen Industrienationen mit. Gemeint ist mit dem Zwei-GradZiel die Zunahme im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Da die mittlere Temperatur seitdem aber bereits um 0,8 Grad gestiegen ist, darf das Klima sich bis zum Ende des Jahrhunderts nur noch um 1,2 Grad aufheizen. Wie dieses Ziel am Besten zu erreichen ist, wird kontrovers diskutiert. Ein weitgehender Konsens besteht hingegen darüber, dass es erreicht werden muss, um die Folgen des Klimawandels auf ein für die Menschheit erträgliches Maß zu begrenzen. So hat das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), in dem Hunderte Wissenschaftler den Klimawandel analysieren und Gegenmaßnahmen vorschlagen, mehrfach die Dringlichkeit einer konsequenten Verfolgung des ZweiGrad-Ziels unterstrichen.

Wieviel CO2 Emissionen müssen eingespart werden und was bedeutet das für bestehende fossile Energiereserven?

Was aber bedeutet das Zwei-Grad-Ziel konkret? Wie viel Kohlenstoff (CO2) darf die Menschheit noch in die Atmosphäre blasen, um es nicht zu gefährden? Eine gemeinsame Studie der Carbon Tracker Initiative und der London School of Economics gibt dazu detailliert Auskunft: Bis 2050 dürfen noch 900 Gigatonnen CO2 ausgestoßen werden, um das ZweiGrad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent zu erreichen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sind es dann nur noch 75 Gigatonnen. Wird mehr CO2 ausgestoßen, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf ein Erreichen der Zwei-Grad-Marke rapide. Bei 1075 Gigatonnen bis 2050 liegt sie nur noch bei 50 Prozent. Natürlich sind diese Werte nur Schätzungen. In ihrer Größenordnung aber sind sie unter Klimaforschern weitgehend unumstritten. Ihre Brisanz entfalten sie, wenn man ihnen gegenüberstellt, wie viel CO2 in den Öl-, Gas- und Kohlevorkommen schlummert, die sich Staaten und Konzerne gesichert haben. Gemeint sind damit alle Quellen, die bereits ausgebeutet werden oder bei denen das geplant ist. Rechnet man das in ihnen enthaltene CO2 zusammen, kommt man auf 2890 Gigatonnen. Dieser Wert ist rund dreimal so hoch wie das, was unser Klima maximal noch verträgt. Es besteht also ein besorgniserregendes Ungleichgewicht zwischen dem Zwei-Grad-Ziel der internationalen Gemeinschaft und dem tatsächlichen Handeln von Staaten und Konzernen. Im Kern bedeutet das: Wenn alle fossilen Reserven verbrannt werden, heizt sich unser Klima um weit mehr als zwei Grad auf – mit katastrophalen Folgen für die Menschheit und unseren Planeten. Oder aber die Staaten sorgen, so wie auf der Weltklimakonferenz in Cancún beschlossen, für die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels. Das wiederum würde bedeuten, dass ein Großteil der Öl-, Gas- und Kohlereserven nicht verbrannt werden kann – und damit für deren Besitzer wertlos ist.

Wenn den Anlegern klar wird, dass ein großer Teil der fossilen Reserven gar nicht verbrannt werden darf, könnten die Energiekonzerne 40 bis 60 Prozent ihres Börsenwertes verlieren.

Investitionen in fossile Energie und das Risiko, dass diese zu stranded assets werden

Für Anleger waren Aktien von Energiekonzernen in den letzten Jahren ein lohnendes Geschäft. Ihre Kurse stiegen scheinbar unaufhörlich. Doch kann das immer so weitergehen? Der Börsenwert von Energiemultis wie BP, Shell oder Statoil basiert auch auf der Menge ihrer Öl-, Gas- und Kohlereserven. Und auf den Annahmen der Anleger, zu welchem Preis diese Reserven in der Zukunft einmal verkauft werden können. Was aber, wenn viele Reserven sich als wertlos herausstellen? Welche Konsequenzen hätte das für den Wert der Konzerne? Die HSBC, Großbritanniens größte Bank, hat es ausgerechnet: Die wichtigsten Energiekonzerne könnten bei einer Umsetzung des Zwei-Grad-Ziels 40 bis 60 Prozent ihres Börsenwertes verlieren. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey und von Carbon Trust kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie prognostiziert einen möglichen Verlust von 30 bis 40 Prozent. Wie kommt es zu solchen massiven Verlusten? Laut der HSBC-Studie könnte zum Beispiel BP bei einer Umsetzung des Zwei-Grad-Ziels ein Viertel seiner Reserven nicht verbrennen. Damit wären diese Reserven „stranded assets“, wertlose Investitionen. Das allein würde den Börsenkurs erheblich mindern. Hinzu käme ein zweiter Effekt: Aufgrund des Überangebots an fossilen Energien würden auch deren Preise fallen. Die Konzerne könnten also nur einen Teil ihrer Öl-, Gas- und Kohlevorräte überhaupt verkaufen – und würden dafür auch noch einen geringeren Preis erzielen. Bisher haben die Unternehmen auf diese Gefahr nicht reagiert. 2012 wurden weitere 674 Milliarden Dollar für das Aufspüren neuer Quellen ausgegeben. Auch die Anleger investieren ihr Geld weiter bereitwillig in fossile Energien. Wie aber kann das sein? Müssten sie ihr Verhalten angesichts der Fakten nicht ändern? Nicholas Stern, der frühere Chefvolkswirt der Weltbank, erklärt es so: „Der Markt hat entweder noch nicht gründlich genug über das Thema nachgedacht oder er geht davon aus, dass die Regierungen nicht viel unternehmen werden – oder eine Mischung aus beidem.“

Jetzt umsteuern

Tatsächlich kann es sein, dass die Konzerne und Anleger davon ausgehen, dass die Regierungen das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen werden. Das aber wäre nicht nur eine zynische Wette, sie birgt auch ein hohes ökonomisches Risiko. Denn sobald deutlich wird, dass die Regierungen ihre Maßnahmen zum Klimaschutz verschärfen, könnten die Anleger in Panik geraten und ihr Kapital abziehen. Dann würde die Blase platzen – und die Aktienkurse purzeln. Eine andere Erklärung dafür, dass Anleger weiter auf fossile Energien setzen, ist, dass die Gefahr an den Börsen schlicht noch nicht erkannt wurde. Viele Fonds etwa orientieren sich an Indizes wie dem britischen FTSE100. Da die großen Energiekonzerne hier stark gewichtet sind, fließt das Geld quasi automatisch auch in Öl, Gas und Kohle. Um das zu verhindern, machen Wissenschaftler, Politiker und NGOs verstärkt auf die Gefahr einer Kohlenstoffblase („Carbon Bubble“) aufmerksam.

Das zu tun – auf die Risiken bestehender und weiterer Investitionen in fossile Energie hinzuweisen, für ein geordnetes Divestment aus diesem Sektor zu werben und gleichzeitig das Feld der nachhaltigen Investitionen zu stärken – sind die Ziele dieser Konferenz.

 

Konferenzbroschüre mit Lebensläufen der SprecherInnen