Das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP, über das jetzt seit über zwei Jahren verhandelt wird, stand von vornherein unter dem negativen Stern unrealistischer Wachstums- und Arbeitsplatzverheißungen, einseitiger Deregulierungsabsichten und unhaltbarer geostrategischer Ambitionen.
Ironischerweise trugen genau diese drei falschen Versprechen des Freihandels zum Entstehen einer massiven Bewegung der Kritik an TTIP bei. Fast komisch: Die TTIP-Strategen ersannen ein Vorhaben, das als „Mutter aller Freihandelsabkommen“ in die transatlantische Geschichte eingehen sollte, und wunderten sich dann, dass in der Bevölkerung, für die TTIP außerordentlich tiefgreifende Auswirkungen haben würde, Widerstand hochkam. Davon überrascht, hat sich die TTIP-Lobby dann entschieden, ihr Unterfangen durch beschwichtigende, aber realitätsuntaugliche Zusicherungen zu verteidigen. Viel spricht dafür, dass diese Strategie das Scheitern der ganzen Sache nur wahrscheinlicher macht.
Eine der Zumutungen von TTIP ist der privilegierte Investorenschutz (ISDS), der diese durch eine Paralleljustiz in wesentlichen Fragen von den nationalen Gerichten unabhängig machen soll und ihnen zugleich erlauben würde, demokratisch gefasste Parlamentsentscheidungen vor Privattribunalen anzugehen, um Schadensersatz in Milliardenhöhe zu verlangen. Unsere Antwort auf ISDS heißt: Nein. Sozialdemokraten und Christdemokraten haben sich jetzt im Europäischen Parlament auf einen halbgaren Kompromiss verständigt, wonach es bei TTIP ihrer Auffassung nach weiter einen privilegierten Investorenschutz geben soll, aber in veränderter, modernisierter Form. Das ist ein Manöver, mit dem sie sich und anderen in die Tasche lügen. Selbst wenn es so käme, wären damit die Probleme von ISDS nicht gelöst. Die Hoffnung, die sie darauf setzen, ist zudem eine Illusion. Eher ist es vorstellbar, dass TTIP ohne ISDS zustande kommt, als dass die US-Seite sich auf die christsozialdemokratische Abfangvariante einlässt.
Ein anderer ungedeckter Scheck bei TTIP ist die erwartungsvolle Hoffnung auf einen Durchbruch für europäische Bieter bei US-amerikanischen Ausschreibungsverfahren bis auf die Ebene der dortigen Bundesstaaten. Präsident Obama hat die Zuständigkeit nicht, das zu verhandeln, und das politische Kapital nicht, die Bundesstaaten an Bord zu holen. Durch unrealistische Annahmen wird europäischen Exporteuren der Mund wässrig gemacht, aber am Ende wird eine Enttäuschung übrigbleiben.
Die TTIP-Verhandlungen werden sich noch eine ganze Weile hinziehen. Aber jetzt schon ist klar: Die Augen waren größer als der Magen. Diese TTIP-Agenda wird an ihrem Heißhunger auf handelspolitische Superlative scheitern. Und aller Voraussicht nach wird das ein Thema im Bundestagswahlkampf 2017.