“Better Regulation“, zu deutsch am besten wahrscheinlich etwas umständlich zu übersetzen mit „weniger belastende und zugleich effektive Regulierung“, ist eines der Hauptschlagworte im politischen Programm der neuen Europäischen Kommission. Die Zuständigkeit für diesen Schwerpunkt hat der Erste Vizepräsident Frans Timmermans. Einer seiner wichtigsten Berater dabei ist Edmund Stoiber, der sich gerne brüstet, wie wirksam er schon für die Barroso-Kommission dazu beigetragen habe, die Wirtschaft von Bürokratie zu entlasten.
Nun ist das ja kein schlechtes Ziel, überflüssige Bürokratie zu beseitigen. Doch was ist überflüssig, was zählt dabei? Geht es nur um wirtschaftliche Interessen, noch enger nur um die bestehenden Unternehmen oder vielleicht auch um die wirtschaftliche Dynamik, die eine neue Regulierung auslösen könnte? Geht es auch um Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, geht es um Gesundheit, Arbeitnehmerschutz, Kampf gegen Klimawandel und für Umweltschutz?
Frans Timmermans hat bisher ein sehr einseitiges Verständnis von „better regulation“ demonstriert. Erst wollte er eine fast fertige Regulierung zur Einschränkung von Plastiktüten verhindern, die unsere Meere verschmutzen. Das Europäische Parlament und die Mitgliedsländer machten ihm gemeinsam einen Strich durch die Rechnung. „Better regulation“ ist jetzt nicht keine Regulierung, wie er es wollte, sondern eine pragmatische, aber doch wirksame.
Als zweites und drittes Thema hatte Timmermans sich die Regulierungen zur Luftqualität und zur Kreislaufwirtschaft vorgeknöpft. Beides sind Gesetzgebungsvorhaben, die die Vorgängerkommission vorbereitet hatte und die ausweislich der vorliegenden Analysen wirtschaftlich außerordentlich positiv in ihrer Wirkung wären. Alleine das Paket zur Kreislaufwirtschaft würde danach mehr ökonomischen Ertrag abwerfen als das ganze, von der Kommission so intensiv verfochtene, transatlantische Freihandelsabkommen. Für Timmermans spielte diese Betrachtung keine große Rolle; er hörte lieber auf die Lobbyvertreter die aus engstirnigen Interessen gegen die ökologischen Gesetzes-Pakete plädierten. Die Umweltminister der EU haben Timmermans deutlich gemacht, dass sie das anders sehen. Nun hat letzte Woche auch das europäische Parlament in drei namentlichen Abstimmungen nachgezogen und jeweils eindeutig ein „Nein“ zu Timmermans Plänen verkündet.
Better regulation will das europäische Parlament auch, aber wir glauben, dass volkswirtschaftlich betrachtet – und umweltpolitisch ohnehin – der Verzicht auf die Regulierung dieser zwei Materien nicht besser, sondern schlechter wäre. Timmermans hat noch nicht reagiert. Juncker auch nicht.
Ich bin sehr gespannt, wie die Sache ausgeht. Aber sicher bin ich, dass die Auseinandersetzung um das Verständnis von „better regulation“ die ganzen nächsten fünf Jahre andauern wird.
Hoffentlich finden wir genügend Verbündete auch in der Wirtschaft für eine progressive Interpretation.
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