Über einen Mangel an höchstrangingem Besuch kann sich die EU aktuell nicht beklagen. Kurz nach US-Präsident Obama hat nun auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping Europas Hauptstadt eine Visite abgestattet. Natürlich reizt das zu einem Vergleich.
Obama brachte die größere Delegation; rund 900 Personen begleiteten ihn. 1:0. Obama sprach, anders als Xi, im belgischen Kulturzentrum Bozar vor rund 2.000 Gästen. 2:0. Obama forderte die Europäer auf, wieder mehr für die Rüstung auszugeben, obwohl er wissen muss, dass das keiner will. Eigentor. 2:1. Obama wie Xi trafen jeweils die Präsidenten Barroso und van Rompuy. Zählt nicht. Weiter 2:1. Obama weigerte sich, das Europäische Parlament zu besuchen, während Xi dort einen offiziellen Besuch abstattete, mit Parlamentspräsident Schulz sprach und sich ins Gästebuch eintrug. Big point, zählt doppelt. 3:2 für Xi.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Präsident Schulz sich bei seiner Audienz für Präsident Xi ausweislich des veröffentlichten Fotos mit exakt so vielen Bürokraten umgab wie jener. Daran hätten kleinere Geister nicht gedacht. Punkt für Martin Schulz! Insgesamt müssen wir natürlich das Ergebnis für die USA und der EU zusammenzählen. Also am Ende ein Unentschieden.
Dass Obama nach fünf Jahren Amtszeit zum ersten Mal nach Brüssel kam und Xi nach wenig mehr als einem, das wollen wir nicht auf die Goldwaage legen. Dass Xi ungerührt im Europäischen Parlament vorbeischaute, obwohl sich seine Diplomaten regelmäßig über dessen Menschenrechts- und Tibet-Resolutionen aufregen, zeigt das Selbstbewusstsein einer aufsteigenden Macht. Schon zum zweiten Mal besucht Xi ein Parlament, in dem aufzutreten Obama offenbar für unnötig hält. Das erste Mal war in Australien. Ob die amerikanische Diplomatie so was mitbekommt?
Aber wir wollen nicht kleinlich sein, schließlich ist Europa mit den USA durch enge Freundschaft verbunden und mit China nur durch strategische Partnerschaft.