Freihandel ist ein schwieriges Thema, für Grüne wie für alle anderen. Bilaterale Freihandelsabkommen entsprechen eigentlich gar nicht dem Europäischen (und Grünen) Ziel einer multilateralen internationalen Ordnung. Trotzdem sind Freihandelsabkommen (FTAs) seit einem halben Jahrzehnt stark im Kommen. Und nun wird ein transatlantisches Freihandelsabkommen erwogen, sozusagen die “Mutter aller FTAs”, welches das europäische Wachstum um einen ganzen Prozentpunkt steigern können soll.
Darüber diskutierte am 22.10.2012 das Europäische Parlament im Strassburg.
Das Europäische Parlament setzt sich seit Langem für einen transatlantischen Wirtschaftsraum ohne Handelshemmnisse ein. Dabei geht es weniger um Zölle als um sogenannte Nicht Tarifäre Handelshindernisse, non-tarif trade barriers (NTB). Was als NTB zu zählen ist, ist hoch umstritten. Die Europäische Industrie hat schon Nachtflugverbote als NTB kritisiert. Unterschiedliche Standards können eine Rolle spielen. Genehmigungsverfahren, Gesundheitsvorschriften, ökologische Erfordernisse, gesetzliche Vorschriften aller Art. Mir fällt gleich auf: Manche dieser “NTB” gibt es aus guten Gründen. Sie zu beseitigen wäre nicht handelsfördernd, sondern gemeinwohlschädigend. Nun wird das Gemeinwohl auch in den USA und verschiedene Europäischen Ländern recht unterschiedlich definiert, so dass es für einen “Markt ohne Handelshemmnisse” genug Streitpunkte gibt.
Jahre lang war es vor allem die Europäische Seite, die versuchte dieses Thema voranzutreiben. In grandioser Missachtung der widrigen Realitäten wurde dabei ohne Rücksicht auf den Zahn der Zeit regelmäßig wieder das Jahr 2015 als Zieljahr benannt. Jetzt, seit 2011, gibt es zum ersten Mal seit langem auch ein starkes US-Amerikanisches Interesse an diesem Thema. Obama is dafür, Romney noch mehr, die US Chamber of Commerce, sogar der Gewerkschaftsbund AFL/CIO. Aber bei näherem Hinsehen sind die Interessen wenig unterschiedlich. Die Amerikanische Agrarkultur-Industrie will ihre Produkte stärker auf den Europäischen Markt drücken, Gentechnik inklusive. Die US Chamber hofft über ein transatlantisches FTA umm verschiedene Europäische gesetzliche Standards aushebeln zu können, die Gewerkschaften würden am liebsten von höheren Europäischen Standards profitieren. Obamas Mann für dieses, Mike Forman, hat angesichts solcher Komplexität vor langwierigen Verhandlungen gewarnt: “If we travel down that road we should get to the goal line on one tank of gas only”. Verlangt wird offensichtlich/kundig die Quadratur des Kreises. Ein so schwieriges Projekt wie ein Transatlantisches FTA sollen wir nur unter der Voraussetzung beginnen zu wollen, dass der Erfolg in sehr kurzer Frist gesichert sein soll. Auf Deutsch: So wird das nicht klappen. Schon gar nicht, wenn der Öffentlichkeit nicht von vornherein klarer Wein eingeschenkt wird, über Interessenskonflikte, die da verhandelt werden sollen.
Das Europäische Parlament hat sich trotzdem einen unrealistischen Zeitplan für einen erfolgreichen Abschluss eines transatlantischen FTA gesetzt. Erfüllbar ist der nur, falls man unterwegs alle wirklich schwierigen Fragen nach und nach wieder vom Tisch nimmt. Deshalb haben wir Grünen im Europäischen Parlament zu diesem Bericht nein gesagt: Sorry, this just ain´t realistic.
Ich bin mir sicher, das Thema bleibt uns noch eine ganze Weile erhalten.