Vom 14. bis zum 25. November 2011 fand in Genf die vierte Überprüfungskonferenz der Konvention für konventionelle Waffen (CCW) statt. Dieses UN-Gremium hatte in der Vergangenheit einen zweifelhaften Ruf als Bremsklotz bei der Ächtung bestimmter Waffengattungen. Diesmal konnte verhindert werden, dass ein großer Rückschritt bei der Abrüstung von Streubomben stattfindet. Und daran hatte das Europäische Parlament einen schönen Anteil!
Weil Mächte wie die USA, China, Indien und Russland in der Vergangenheit bei der CCW auf der Bremse stehen, wurde von Staaten wie Kanada und Norwegen und einer Koalition von NGOs in der Vergangenheit sowohl das Ottawa-Abkommen gegen Landminen als auch die Oslo-Konvention gegen Streubomben außerhalb der UN verhandelt und entschieden. Beide Abkommen schufen hohe Standards im Hinblick auf das internationale humanitäre Völkerrecht und waren insbesondere den USA ein Dorn im Auge.
Letzte Woche bliesen die USA zusammen mit China, Russland und Indien, den weltweit mit Abstand größten Besitzern und Nutzern von Streubomben, zum Gegenangriff. Die USA brachten Protokoll VI ein, welches Streubomben, die ab 1980 produziert worden sind und über einen Sicherheitsmechanismus verfügen, legalisieren sollte. Nun sind aber alle vor 1980 produzierten Streubomben sowieso schon verrostet und ausgemustert und ein Sicherungsmechanismus (es geht um Selbstzerstörung für den Fall, dass die Submunition nicht sofort bei Aufprall explodiert) ist auch bei den einfachsten Modellen Standard. Kurz: Man wollte sich Schrott, den man sowieso ausmustert, als Abrüstung zertifizieren lassen.
Seit dem 1. August 2010 jedoch ist die Konvention gegen Streubomben (CCM) in Kraft, die Produktion, Lagerung, Export und Nutzung von Streubomben strikt verbietet. Deutschland ist – wie 22 andere EU-Mitgliedstaaten – Mitglied. 66 Vertragsparteien hat die CCM bereits insgesamt. Über 100 Staaten haben schon unterschrieben. Die EU unterstützt die Universalisierung des Verbots seit einigen Jahren aktiv. Das Streubombenverbot ist einer der wenigen Bereiche, in welchen Catherine Ashton ausgesprochen klar Position bezieht und sich für ein weltweites Verbot ausspricht.
In Genf wäre es eigentlich ein Leichtes gewesen, mit dem Veto eines CCM-Staates das Protokoll VI zu kippen. Doch die USA hatten die Angelegenheit zur außenpolitischen Priorität gemacht. Hillary Clinton schrieb Briefe u.a. an Außenminister Westerwelle und telefonierte die Kollegenschar ab. Das wirkte offenbar. Es kristallisierte sich eine Gruppe um Deutschland (Schweden, Italien und Holland) heraus, die bereit war, den USA zu folgen, das Protokoll zu unterschreiben und damit das Verbot von Streubomben zu revidieren. Im Bundestag schmetterte Schwarz-Gelb in diesem Sinne einen Antrag von Grünen und SPD ab (siehe Drucksache 17/7637), der die Bundesregierung aufforderte, das Protokoll VI abzulehnen.
Uns im Europaparlament gelang es jedoch, eine Debatte mit der Hohen Repräsentantin darüber zu führen und einen Entschließungsantrag zu verabschieden, der an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließ. Die von der Grünen-Fraktion initiierte Entschließung stellte fest, dass das Protokoll VI mit den rechtlichen Verpflichtungen des CCM “unvereinbar” ist und es den CCM-Staaten de jure verboten ist, das Protokoll zu unterstützen oder gar zu unterzeichnen. Die Entschließung machte zudem darauf aufmerksam, dass das Protokoll, sollte es angenommen werden, erstmals in der Geschichte des internationalen Völkerrechts einen Rückschritt bedeuten würde, die politisch und moralisch inakzeptabel wäre.
Spanien informierte die Delegierten in Genf nur Minuten, nachdem das Europaparlament mit großer Mehrheit die Resolution angenommen hatte. FDP und CDU/CSU stimmten in Strassburg mit uns! In Genf wurde unser Text alsbald von Spanien an die Delegationen verteilt.
In den letzten Verhandlungstagen schälte sich schließlich eine Gruppe von 40 Staaten um Norwegen, Österreich, die Schweiz und Südafrika heraus, die das Protokoll VI mit Hinweis auf fehlenden humanitären Mehrwert und eine damit verbundene Legalisierung von Streumunition ablehnte.
Am letzten Freitag scheiterte das Protokoll VI dann endgültig. Ein großer Erfolg! Aus unserer Sicht sollten sich insbesondere nun die CCM-Staaten wieder darauf konzentrieren, die Oslo-Konvention in all ihren Einzelheiten umzusetzen und weltweit zu fördern! Zur Umsetzung sollte nicht zuletzt auch “Desinvestment” gehören. Denn eine aktuelle Studie (abrufbar hier) hat gezeigt, dass viele deutsche Versicherer und Banken – also z.B. einige unserer privaten Altersvorsorger – nach wie vor in Firmen investieren und anlegen, die Streubomben herstellen. Unser Nachbar Belgien ist da weiter: Ein einschlägiges Gesetz verbietet entsprechendes Investment.