Hoch her ging es diese Woche im Europäischen Parlament zum sehr kontroversen Thema Schiefergas. Expertenanhörungen wurden organisiert von den Grünen und vom Industrie-Ausschuss; im Umweltausschuss wurde eine Studie zu den Auswirkungen der Schiefergas-Förderung vorgestellt, und auch polnische Abgeordnete organisierten mehrere Veranstaltungen. So viel Schiefergas war noch nie.
Die Positionen gehen extrem auseinander zu Schiefergas, diesem in unterirdischem Gestein eingeschlossenen Erdgas. Auf der einen Seite tummeln sich besonders polnische und spanische Abgeordnete: Manche von ihnen setzen fast Heilserwartungen in dieses “unkonventionelle” Gas, das sich im Gegensatz zu konventionellem Gas in ganz Europa findet. Polen will seine Abhängigkeit von russischen Gas-Lieferungen reduzieren und ist mit mehreren Probebohrungen derzeit Vorreiter in Europa. Auf der anderen Seite gibt es massive Ablehnung von Schiefergas, besonders natürlich bei uns Grünen und im Umweltausschuss. Mein Kollege José Bové zum Beispiel war diese Woche sehr begeistert, dass Frankreich drei Konzessionen zur Erforschung von Schiefergas-Vorkommen zurückgenommen hat.
Bei all dem wirft Schiefergas außerordentlich viele ungeklärte Fragen auf. So wird beim “Fracking” – dem Zertrümmern des Gesteins zur Freilegung des Schiefergases – ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien verwendet. Aber inwieweit werden diese Chemikalien überhaupt unter der EU-Chemikalien-Verordnung REACH legal verwendet? Und berührt das Fracking die europäische Wasser-Gesetzgebung? Unklar ist auch, welche Mengen an Treibhausgasen bei der Förderung von Schiefergas ausgestoßen werden. Es gibt Zahlen, laut denen die Emissionen bei Schiefergas deutlich höher sind als bei anderen fossilen Energieträgern. Auch über die Größe der weltweiten Schiefergas-Vorkommen gibt es unterschiedliche Angaben – die USA gaben kürzlich zu, nur ein Fünftel der ursprünglich verkündeten Menge zu besitzen.
Wegen dieser Probleme habe ich im vergangenen Juli mit einigen grünen Kollegen und Vertretern der Zivilgesellschaft den Kommissaren Oettinger (Energie), Potoènik (Umwelt) und Hedegaard (Klimaschutz) geschrieben. Wir fordern wissenschaftliche Untersuchungen zu den beim Fracking eingesetzten Chemikalien und den Treibhausgas-Emissionen. Diese Studien müssen öffentlich gemacht werden. Bis die Ergebnisse vorliegen, sollte ein Moratorium für Schiefergas verhängt werden. Vor allem aber muss ein regelmäßiger Dialog mit Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen stattfinden.
In ihrer Antwort lehnten die Kommissare ein Moratorium ab und behaupteten, es gebe mit dem sogenannten “Berlin-Forum” bereits seit 2005 einen Bürgerdialog. Doch bisher war dort kein einziger Vertreter einer Umweltschutzorganisation als Referent eingeladen. Und genau einmal (!) gab es einen Vortrag zu “Best practices in unconventional gas production”.
Das Thema Schiefergas wird uns also noch lange beschäftigen. Ich bleibe am Ball.