Als EU-Energie-Kommissar Oettinger vor kurzem im EP-Industrie-Ausschuss seine Arbeitsvorhaben vortrug, bemerkte er unter anderem, er kenne niemanden, der die energiepolitischen Ziele der EU (“20-20-20”) in Frage stelle. Neben ihm saß, als Ausschussvorsitzender, der CDU-Abgeordnete Reul (NRW) – und machte ein griesgrämiges Gesicht. Ich rief ihm zu: “Sehen sie das auch so, Herr Vorsitzender?” Etliche Kollegen, auch von den Konservativen, lachten. Sie wußten: er ist damit gar nicht einig. Aber wie sollte er “seinem” Kommissar Oettinger offen widersprechen?
Tatsächlich sucht Herbert Reul aber immer wieder nach Gelegenheiten, dem ökologischen Zeitgeist, den er gar nicht mag, Kontra zu geben. Kürzlich sah er offenbar eine Gelegenheit dazu. Und ging mit einer schriftlichen Frage an die EU-Kommission das ganze Konzept der “grünen Jobs” heftig an. Als Anlass diente ihm eine Studie der spanischen Universidad Rey Juan Carlos, die behauptet, dass in Spanien für jeden neuen grünen Job, 2.2 Arbeitsplätze verloren gingen.
Doch Herbert Reuls Vorstoß wird wohl zum Rohrkrepierer. Auf die Antwort der EU-Kommission darf man schon gespannt sein. Denn die Studie entbehrt jedweder Glaubwürdigkeit und wird von zahlreichen anerkannten Experten, von internationalen Instituten sowie selbst von Wirtschaftszeitungen wie dem ‘Wall Street Journal’ heftig kritisiert. Dies nicht nur wegen der irreführenden Methodologie, auf der die Arbeit aufbaut, sondern auch aufgrund der interessanten Tatsache, dass der Autor der Studie ein Fellow des Centers for New Europe ist – einem Brüsseler “think-tank”, dem vorgeworfen wird, vom Ölmulti ExxonMobil finanziert worden zu sein. Selbst der spanische Industrieminister, Miguel Sebastian, hat die Studie und den Autor in keinem guten Licht dastehen lassen. Auf einer Konferenz letzten Jahres meinte er: ‘I am an economist myself. I know all Spanish economists, of course. I have never heard of any article by this guy. He compares the destruction of jobs in the housing sector, which has been because of the crisis, to the increase in the employment of the renewable energy sector in the last few years. He has linked two independent things. It is a political issue’.
Das Europäische Parlament hat im April 2010, wie es sich ergibt, ein kleines Kompendium zum Thema “green jobs” herausgebracht. In dieser Publikation betonte es, dass u.a. Gutachten der Generaldirektion Beschäftigung, der Generaldirektion Umwelt sowie der Europäischen Gewerkschaften (ETUC) belegen, dass klimapolitische Maßnahmen sehr wohl einen allgemeinen positiven Effekt auf den Jobmarkt haben würden.
Was nun, Herbert Reul? Er wird stur bleiben, vermute ich, ein deutscher Don Quixote. Um so schlimmer für die Realität, dass sie ihm nicht folgt.
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