Ratspräsidentschaft keine Bühne für Männeregos

Spanien ist Ratspräsident der EU und beginnt seinen Turnus gleich mit EU-weiten Wachstumsforderungen – im Gegensatz zu den Sparkursforderungen des neuen ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy.  EU-Politiker Reinhard Bütikofer über einen möglichen Fehlstart der “neuen” Union – und den deutschen Kommissar Oettinger.

Zuerst veröffentlicht am 08.01.2010 im Deutschlandfunk.

Gerwald Herter, Deutschlandfunk: Offizieller Auftakt der spanischen EU-Ratspräsidentschaft heute in Madrid. Es wird wohl nicht ganz einfach werden für die spanische Regierung in den nächsten Monaten.

Jetzt bin ich mit dem Europaabgeordneten der Grünen, Reinhard Bütikofer, verbunden. Guten Morgen, Herr Bütikofer.

Reinhard Bütikofer: Guten Morgen, Herr Herter.

Herter: Die Europäische Union befindet sich in einer Übergangszeit. Die Kommission ist noch nicht im Amt, die Rechtsgrundlage aller Institutionen hat sich geändert. Ist das besonders schwierig für die spanische Regierung, da in der Präsidentschaft etwas voranzubringen?

Bütikofer: Jedenfalls geht die spanische Präsidentschaft mit außerordentlichem Ehrgeiz an die Sache heran. Die haben sich offenbar gesagt, das macht uns gerade ehrgeizig, dass wir da eine Rolle spielen können bei der Definition der neuen Beziehungen zwischen den mit veränderten Kompetenzen ausgestatteten europäischen Institutionen.

Herter: Aber wer ist denn jetzt wichtiger, der spanische Ratspräsident Zapatero, oder der belgische ständige Präsident des Rates Herman Van Rompuy?

Bütikofer: Wenn sie sich beide auf dieses Thema einlassen und sich darum offenen oder verdeckten Konkurrenzkampf liefern, dann wird diese Präsidentschaft mit Sicherheit ein Fiasko. Die Spanier haben ja angekündigt, dass sie besonders viele Gipfel inszenieren wollen. Sie wollen mit den USA einen Gipfel machen und mit Russland und Kanada und den Mittelmeerländern und den lateinamerikanischen Ländern und dann die üblichen Gipfel noch obendrauf. Wenn das alles nur Bühne ist für das Ego von zwei Männern, dann kann man die Präsidentschaft gleich abschreiben. Aber ich glaube, da hat Ihre Korrespondentin durchaus die richtige Nase, wenn sie sagt, Spanien ist EU-freundlich, und Spanien braucht auch eine erfolgreiche Präsidentschaft innenpolitisch, weil die Regierung Zapatero innenpolitisch ja durchaus Schwierigkeiten hat. Insofern hoffe ich, dass sie eher an der Kooperation sich orientieren.

Herter: Van Rompuy war ja bei der CSU-Klausur in Kreuth zu Gast. Da hat er betont, man müsse sparen, die EU-Staaten sollten also sparen, Haushaltsdisziplin wahren. Die Spanier bringen eher nach vorne, dass sie Wachstumsziele setzen wollen. Steht das auch nicht inhaltlich im Gegensatz?

Bütikofer: Was mich ein bisschen irritiert an dieser neuen Initiative, über die Sie vorhin in den Nachrichten ja auch berichtet haben, des Herrn Zapatero ist, dass nicht ganz klar ist, was er eigentlich meint. Wachstum um des Wachstums willen, unabhängig von der Qualität des Wachstums, Wachstum einer unkontrollierten Finanzindustrie zum Beispiel, kann ja nicht das Ziel sein. Da müssen qualitative Kriterien her und bis jetzt habe ich nicht erkennen können, dass die Spanier da was auf den Tisch gelegt hätten. Dass sie sich auf die Frage konzentrieren, wie kriegen wir Europa aus der Krise heraus, dass sie auch offensiv im Konflikt mit den Kollegen der deutschen Politik immer wieder sagen, wir brauchen mehr wirtschaftspolitische Koordination in Europa, das finde ich alles richtig. Aber die Debatte über das Wachstum muss doch eine qualitative Debatte sein, muss eine Debatte darum sein, was wachsen soll, damit das auch zukunftsfähig ist.

Herter: Wenn man Wachstumsziele setzt, egal welcher Qualität, braucht man eigentlich Geld. Wenn Staaten die Konjunktur ankurbeln wollen – das haben wir in den letzten Monaten gesehen -, muss man in die Kasse greifen, und das hat man ja zurzeit nicht. Ist da nicht eine Gefahr?

Bütikofer: Na ja, Geld ist eine Methode. Man könnte auch eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung dadurch forcieren, dass man umweltschädliche Subventionen kassiert und stoppt. Man kann auch eine umweltfreundliche und zukunftsfähige Wirtschaft dadurch vorantreiben, dass man die richtigen Rahmenbedingungen setzt. Wenn man als Beispiel nimmt die Förderung der erneuerbaren Energien, die wir in Deutschland besonders nach vorne gebracht haben, die sich die Spanier von uns abgeguckt haben, ist das ein exzellentes Exempel für das Vorgehen, nicht jetzt einen Haufen Geld aus der Staatskasse zu nehmen, sondern die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass in eine vernünftige Richtung investiert wird.

Herter: Nächste Woche wird sich der neue EU-Kommissar Oettinger im Parlament vorstellen. Glauben Sie, dass Sie mit ihm auch über dieses nachhaltige Wachstum und erneuerbare Energien reden werden?

Bütikofer: Das wird für uns das Hauptthema sein bei dieser Anhörung von Herrn Oettinger, und um es mal freundlich auszudrücken: Der hat da schon eine Bringschuld. In Baden-Württemberg als Ministerpräsident hat er sich ja gar nicht hervorgetan mit einer modernen Energiepolitik. Das Land steht bei den erneuerbaren Energien schlechter da als vergleichbare Bundesländer. Er wird in Brüssel gar nichts reißen können, gar nichts bewegen können, wenn er da nicht nach einer neuen Melodie operiert. Ich glaube, er hat eine wunderbare Vorlage gekriegt eigentlich durch die Überlegung verschiedener EU-Mitgliedsländer jetzt jüngst, im Bereich der Nordsee ein Super-Stromnetz zu entwickeln zur Integration der verschiedenen erneuerbaren Potenziale. Das müsste er eigentlich generalisieren und sagen, wir brauchen ein gesamteuropäisches solches Stromnetz, um die verschiedenen Energiepotenziale der erneuerbaren zu fördern und zu integrieren. Wenn er dieses großartige Infrastrukturprojekt, für das der Club of Rome seit Langem wirbt, auch wir seit Langem werben, wenn er das sich zum Thema machen würde, dann könnte er wirklich was nach vorne bringen. Mal sehen, wie weit Herr Oettinger sich einlässt auf so eine grüne Wirtschaftsperspektive.

Herter: Spanien hat den EU-Ratsvorsitz übernommen. Der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer war das im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank!

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Foto: Europäische Kommission