Was Angela Merkel sagen sollte – und was lieber nicht.

Heute spricht die Bundeskanzlerin vor dem US-Kongress. Dies ist eine seltene Ehre. Dass diese Ehre Angela Merkel zu Teil wird, liegt sicher an persönlicher Wertschätzung. Noch mehr liegt das aber an dem großen Jubiläum dieser Tage – es ist eine tiefe Verbeugung der USA vor dem Freiheits- und Epochendatum 9.11.1989!

Deshalb sollte Angela Merkel von den eigentlichen Helden der Wende sprechen, den Menschen, die den Mut hatten zu rufen: „Wir sind das Volk!“ Wird die Kanzlerin sie zu Wort kommen lassen? Hat sie die Größe, etwa Werner Schulz aus seiner kürzlichen Leipziger Rede zu zitieren? Oder wird sie den USA danken – was verdient ist – und Helmut Kohl und andere Staatsmänner feiern und das war´s? Frei nach dem Motto: „Die waren das Volk“.

Was wird Merkel ansprechen?

Helmut Kohl hat die deutsche Einheit in Frieden dadurch ermöglicht, dass er Deutschland fest in die Europäische Union einband. Wird Angela Merkel von dieser Lehre der deutschen Einheit sprechen? Wird sie die positive Kraft der europäischen Integration hervor heben und einen Zukunftsentwurf darlegen für die Vertiefung der europäischen Einigung? Sie sollte es. Oder wird sie Europa als lästige Übung abhaken, wie es der Sicht einer immer stärker wieder national denkenden Elite entspricht?

George H.W. Bush sprach nach der Wiedervereinigung gegenüber Deutschland von „partnership in leadership“. Wird die Kanzlerin davon sprechen, welche Verantwortung in und mit Europa und gegenüber den globalen Herausforderungen ihre Regierung tragen will? Wird sie die Millenium Goals der UN und den Welthunger erwähnen, ernsthaft ansprechen oder vergessen? Wird sie Obamas Ansatz zum Dialog mit der islamischen Welt aufgreifen? Wird sie Europas Anteil an der Schande von Guantanamo und Geheimgefängnissen erwähnen oder nur die USA für deren Wende loben?

Wird Angela Merkel zur Wirtschaftskrise in diplomatischer Routine sprechen oder mit der Demut einer, die selbst dem Goldenen Kalb geopfert hat? Wird sie sich trauen, die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte nicht auszuklammern, zu denen Deutschland in der Vergangenheit beitrug? Wird sie die Einsicht erkennen lassen, dass es nicht mehr globale ökonomische Governance geben kann, wenn das noch nicht mal in der EU gelingt? Wird sie für den transatlantischen Wirtschaftsraum das Ziel einer Energieeffizienz-Revolution klar nennen?

In ihrer Video-Botschaft hat die Kanzlerin versprochen, den USA bei der Klimapolitik ins Gewissen zu reden. So kam die Botschaft jedenfalls an. Und so ähnlich klang auch ihre Botschaft vom EU-Gipfel. Das sollte sie lassen. Denn weder ist es pragmatisch sinnvoll, solche Lektionen zu erteilen, noch wäre es wirklich glaubwürdig. Gerade erst hat die Kanzlerin höchst persönlich den letzten Nagel in den Sarg der Kopenhagen-Konferenz geschlagen, indem sie konkrete Festlegungen auf Finanzhilfen für arme Länder blockierte. Aber vielleicht könnte Sie ja mal vorm US-Kongress thematisieren, wie die reiche Welt mit den zig oder gar hunderten Millionen Klimaflüchtlingen umgehen sollte, die es voraussichtlich geben wird.