Europäische Maritime Sicherheitsstrategie (EMSS): Krude Vermischung von Wirtschaftsinteressen, militärische Machtprojektion und Flüchtlingsabwehr

Die am Dienstag, dem 24. Juni 2014, vom Rat der Europäischen Union angenommene gemeinsame Europäische Maritime Sicherheitsstrategie (EMSS) verspricht globale maritime Machtentfaltung durch Seestreitkräfte zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen. In der Strategie bringt der Rat zum Ausdruck, „[…] Die Seestreitkräfte der Mitgliedsstaaten sollten auf See und von See aus, strategische Aufgaben wahrnehmen und im globalen Maßstab Reichweite, Flexibilität und Zugangsmöglichkeiten bieten, […]. Ihre anhaltende Präsenz muss die Freiheit der Schifffahrt unterstützen und trägt durch Abschreckung, Vorbeugung und Bekämpfung rechtswidriger und illegaler Handlungen im globalen maritimen Bereich zur Good Governance bei […].“ Kurz, ohne das Geld und die Kriegsschiffe zu haben, spielt der Rat ein bisschen Supermacht. Das ist zum Lachen und zum Weinen.

Im März 2014 stellte Catherine Ashton, Außenbeauftragte der EU, zusammen mit der Kommission, erstmals dem Europäischen Parlament und dem Rat Elemente für eine EUMSS vor. Die griechische Präsidentschaft fertigte darauf einen ersten Entwurf an. Dieser glich einem radikalen Militarisierungsprogramm, welches im weiteren Verlauf von anderen Mitgliedstaaten etwas entschärft wurde. Das Europäische Parlament reagierte auf die Debatte um eine zukünftige EMSS mit einem eigenen Beitrag. Allerdings ging der Gomes-Bericht noch weiter als die griechische Ratspräsidentschaft, indem es u.a. militärische Präsenz der EU im südchinesischen Meer und im Schwarzen Meer forderte. Er ist als Dokument gefährlicher und ebenso lächerlicher Großmannssucht lesenswert. Admiral Gomes gilt als progressive Sozialistin, doch da ging mit der Portugiesin ein anderes Erbe durch. Auch sollten EU-Haushaltsmittel für die maritime Aufrüstung genutzt werden. Die Grünen lehnten den Gomes-Bericht ab. (Maritime Sicherheit: Parlament macht sich zur Lachnummer)

Wir Grünen befürchten durch EMSS nicht nur eine zunehmende Militarisierung der EU. Wir bestreiten auch die Möglichkeit einer Finanzierung dieses Ziels. Wir kritisieren, dass in der nun angenommenen EMSS die Idee verankert wurde, aus dem EU-Haushalt die Sozial- und Strukturfonds für militärische Zwecke anzuzapfen. Auch wird in der EMSS explizit der noch zivile Forschungstopf Horizon2020 der EU als zukünftige Quelle für Rüstungsprogramme genannt.

Rückblickend erinnert Wortlaut und Geist der EMSS an die Äußerungen von Bundespräsident Horst Köhler, im Zusammenhang mit seiner „brandgefährlichen“ Äußerung zur Akzeptanz „notwendiger“ Wirtschaftskriege. Wir Grünen argumentierten damals, dass Köhler mit der Rechtfertigung bewaffneter Außenhandelspolitik nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stünde. Zeitgleich fordert der Verband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Berlin, BDSV, dem unter anderem Daimler, Airbus und Thyssen-Krupp angehören, seit Langem eine europäische Geostrategie für die hohe See. Maritime Sicherheit sei schließlich ein „Schlüssel deutscher Wettbewerbsfähigkeit.“

Wir lehnen die EMSS wie auch damals den Gomes-Bericht nicht nur wegen der neo-imperialistischen Ausrichtung ab. Eine Trennung zwischen zivilen Sicherheitskräften, wie der Polizei und der Küstenwache und andererseits dem Militär, ist für uns Grüne von großer Bedeutung. Die EMSS dagegen verwischt die Zusammenarbeit zwischen zivilen (Frontex) und militärischen Sicherheitskräften (Marine) und ist auch deswegen inakzeptabel.

Ferner kritisieren wir, dass ein Netz zur Datenerhebung aufgebaut werden soll, mit dem es möglich wird, dass Nachrichtendiensten, Frontex, Küstenwache, Polizei sowie Marine jederzeit Lageberichte zur Verfügung gestellt werden. Die EMSS sieht für dieses maritime Big Brother Projekt keinerlei Kontrollmechanismen vor. Völlig offen ist, wer hier für eine Überwachung der Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte Sorge tragen soll.

Die EUMSS kategorisiert unter dem Stickwort „Sicherheitsrisiken und Sicherheitsbedrohungen“ zudem „Menschenhandel und Schleusung von Migranten“. Damit werden die Schleuser von Kriminellen zu Bedrohungen der nationalen Sicherheit, die den Einsatz von militärischen Mittel rechtfertigen. Aus Grüner Sicht ist den kriminellen Schleuserbanden von Flüchtlingen oder den Piraten mit zivilen Sicherheitskräften zu begegnen, denn sie stellen keine militärische Bedrohung dar.

Nach der Annahme der EUMSS sollen nun Aktionspläne von einer Arbeitsgruppe bis Dezember 2014 erstellt werden. Noch sind die Vorschläge zur Durchsetzung der Strategie des Rates sehr vage formuliert und lassen somit den Arbeitsgruppen viel Spielraum. Sie eröffnen somit die Möglichkeit eines umfangreichen Lobbyings. Die europäische Öffentlichkeit sollte die Entwicklung viel kritischer begleiten.